: Neu in der Schauburg Reservoir Dogs
Eben haben sie sich noch gemütlich in einer Bar über die tiefere Bedeutung von Madonnas Songtexten unterhalten — der Titelvorspann stellt uns ganz friedlich acht Männer vor, die ein krummes Ding drehen wollen. Die Hits aus den Siebzigern sowie das Geplapper eines Disjockeys stimmen auf einen behäbig erzählten Genrefilm ein.
Doch schon bei der nächsten Einstellung windet sich einer von ihnen mit einem Bauchschuß im eigenen Blut, zwei seiner Komplizen sind tot — einer hat sich als psychopathischer Killer entpuppt, und ein anderer hat die Bande an die Polizei verraten.
Regisseur Quentin Tarantino zeigt das Verbrechen, um das sich alles in diesem Film dreht, den Überfall auf einen Juwelierladen, überhaupt nicht. Es gibt nur das Davor und das Danach. In verschiedenen Kapiteln folgt er jeweils einer Person: zuerst in Rückblenden, die die vermeindliche Ordnung der Planung zeigen, doch dann kommen er und wir immer wieder zurück in ein schäbiges Lagerhaus, wo sich nach dem Desaster alle Überlebende treffen, gegenseitig verdächtigen und wie wilde Hunde belauern. Um sich schließlich mit der präzisen Unvermeidbarkeit der klassischen Tragödie selbst zu zerfleischen.
Dieses in seiner strengen Logik gnadenlose Abdriften des vermeintlich perfekt geplanten Verbrechens ins Chaos sowie die komplizierte Erzählstruktur hat Tarantino von Stanley Kubricks Film „The Killing“ (1956) übernommen, den er auch selber als Hauptinspiration seines ersten Spielfilmes nennt. An Martin Scorseses „Good Fellas“ oder „Mean Street“ erinnern die unvermittelt brutalen Gewaltausbrüche und die pessimistische Film-noir-Athmospäre, der jede Gangsterromantik ausgetrieben wurde, aber auch das brilliante Ensemblespiel der acht Schauspieler, zu denen Scorseses Stammschauspieler Harvey Keitel gehört.
Und schon windet sich einer im eigenen Blut
Aber Quentin Tarantino ist kein Epigone: „Reservoir Dogs“ hat eine ganz eigene, irritierende Intensität. Auch wenn keiner von diesen Gangstern einem sympathischer wird und obwohl die Brutaliäten manchmal kaum noch erträglich sind, bleibt der Zuschauer immer fast zu nah dran. Der Film hat eine Sogwirkung, der man sich kaum entziehen kann: Jedes Bild, jeder Ton, jede Einstellung stimmt. Wie bei Kubricks Film liegt hier die feine Ironie von „Reservoir Dogs“: Das präsis geplante Verbrechen geht schief, der genauso perfektionistisch ausgeführte Coup im Kino gelingt. Wilfried Hippen
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