INTERVIEW
: »Die Menschen im Osten sind sehr engagiert«

■ Barbara Faccani vom evangelischen »Amt für Industrie und Sozialarbeit« ist Mitkoordinatorin der »Woche der ausländischen Mitbürger« vom 27.9. bis 3.10./ Aus 210 Veranstaltungen »muß man sich die Rosinen rauspicken«

taz: Sie sind seit 1975 daran beteiligt, die alljährliche »Woche der ausländischen Mitbürger« zu koordinieren?

Barbara Faccani: 1975 gab es zum ersten Mal einen von den Kirchen initiierten »Tag des ausländischen Mitbürgers«. Der wurde bundesweit recht gut angenommen, so daß wir vom ökumenischen Vorbereitungsausschuß uns vor zehn Jahren entschlossen, daraus eine ganze Woche zu machen, die in Berlin inzwischen einen Monat dauert. Ein Ausschuß arbeitet auf Bundesebene, der andere in Berlin, und in diesem beteiligten sich das Diakonische Werk, die Caritas, die kirchlichen Ausländerbeauftragten und andere kirchliche Mitarbeiter.

Ich habe das diesjährige Programm durchgelesen und war ziemlich frustriert. Böse formuliert: Kinderfeste, viel Folklore und Kleinklein. Es gibt jedoch keine einzige Podiumsdiskussion, die in der jetzigen Zeit nach Rostock die wirklichen heißen Eisen anpackt. Verstärkt das nicht die Tendenz, daß Ausländerfreunde immer nur im eigenen Saft schmoren?

Sie müssen aber auch sehen, daß die Menschen im Osten mit einer ungeheuren Verve eingestiegen sind und auch in diesem Jahr zwei Drittel des Programms stellen, obwohl in Ost-Berlin weniger als zehn Prozent aller Ausländer unserer Stadt wohnen. Wir sind froh, daß viele Vereine auf der Bezirksebene, die die Veranstaltungen anbieten, sich um diese Fragen kümmern, da sie sich jetzt endlich drum kümmern dürfen, und daß sie selbst versuchen, mit den Leuten ins Gespräch zu kommen. Das ist ein Ansatz, den wir vielleicht vor zwanzig Jahren auch mal hatten. Dies jetzt zu kritisieren mit dem Argument, das sei nicht spektakulär genug, fände ich ungeheuer gefährlich. Sie gewinnen ja auch Multiplikatoren dazu. Sollen sie ihre kleinen und großen Veranstaltungen auf der Kiezebene machen, das ist eine Saat, die vielleicht mal aufgeht. Erfreulich finde ich auch, daß sich neben den christlichen Gemeinden nun die ersten Moscheen beteiligen und sich öffnen.

Sie haben allerdings an einem Punkt recht: Bei den Veranstaltungen in West-Berlin steckt ein Stück Zurückhaltung. Das war früher etwas pointierter. Die Parteien kommen fast nicht vor. Sie halten sich geradezu schamhaft zurück, und das bedauere ich außerordentlich — auch daß der ganze Komplex von der Ausländergesetzgebung bis zum kommunalen Wahlrecht fast gänzlich verschwunden ist.

Aber ich glaube, ich bin nicht die einzige, die Debatten über Strategien gegen rechts vermißt.

Ich vermisse sie auch. Dennoch: Ich finde es gut, daß in Bezirken, in denen früher nur organisierte Begegnungen mit Ausländern stattfanden, jetzt aus eigener Initiative etwas passiert. Außerdem wollten wir bestimmte Veranstaltungen nicht vor anderen herausheben. Jetzt steht der Eröffnungsgottesdienst mit Kardinal Sterzinsky am 25.September in der Hedwigs-Kathedrale neben dem Spielfest der Sportjugend oder dem deutsch- türkischen Kindertreff. Ich gebe gerne zu, daß das Programm mit 210 angekündigten Veranstaltungen plus etlichen in Marzahn und Hohenschönhausen, die zu spät gemeldet wurden, etwas unübersichtlich ist. Man muß sich die Rosinen halt heraussuchen. Gefreut habe ich mich auch darüber, daß die Senatorin für Arbeit und Frauen am 10. Oktober eine Podiumsdiskussion zum Thema »Miteinander leben, miteinander arbeiten« ausrichtet, weil ich manchmal das Gefühl habe, daß über der ganzen Asylfrage die Probleme der hier schon lange lebenden Immigranten vergessen werden. Bei diesen ist die Arbeitslosigkeit immerhin fast doppelt so hoch wie bei Deutschen.

Was planen Sie denn zum Tag des Flüchtlings, der ausgerechnet einen Tag vor dem »Tag der deutschen Einheit« stattfindet?

Dazu gibt es achtzehn Veranstaltungen. Die Hauptveranstaltung, wie immer vom »Flüchtlingsrat« organisiert, findet diesmal in der Dreifaltigkeitsgemeinde in Lankwitz statt und wird von Bischof Kruse eröffnet. Dort wird auch in diesem Jahr »das steinerne Herz« an den hartherzigsten Ausländerpolitiker vergeben.

Wissen Sie schon, wer es angesichts der ungeheuren Auswahl kriegen soll?

Ich weiß es nicht, aber man sollte es auch jetzt noch nicht verraten. Interview: usche

Das Programm ist beim Amt für Industrie und Sozialarbeit, Tel. 302 3490, erhältlich.