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„Bosnische Lager gleichen Nazi-KZs“

■ Bericht einer KSZE-Delegation: In allen Teilen Bosnien-Herzegowinas gibt es Lager, in denen Menschen gefoltert und ermordet werden/ UNO schließt Restjugoslawien nicht aus

Berlin (ap/taz) — In den Internierungslagern in Bosnien-Herzegowina werde weiterhin willkürlich hingerichtet, terrorisiert und gequält. Dies berichtete eine Delegation der KSZE (Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa), die vom 29. August bis 4. September 21 Lager in allen Teilen Bosniens besucht hatte. In ihrem Bericht betonen die Mitglieder der Delegation nach Befragung von Hunderten von Gefangenen, die Grausamkeiten in den Lagern erinnerten an die Konzentrationslager der Nazis. Bei den Gefangenen seien Spuren von Mißhandlungen zu sehen gewesen. Dies gelte sowohl für die serbisch als auch für die kroatisch und moslemisch kontrollierten Lager. Der deutsche Vertreter im Ausschuß hoher Beamter der KSZE, Wilhelm Höynck, erklärte, es gebe Lager, von denen die Öffentlichkeit bisher nichts gewußt habe. Zivilisten würden unter unmenschlichen Bedingungen festgehalten. Zum Teil seien die Gefangenen sogar in Ställen untergebracht.

Es ist erstaunlich festzustellen, daß sich anläßlich dieses Berichtes die Diskussion darüber, wie die Gefangenen aus den Lagern zu befreien sind, in den internationalen Organisationen bisher nicht intensiviert hat. Allerdings gibt es nach Angaben von Höynck Anstrengungen, in einer gemeinsamen Aktion des Internationalen Roten Kreuzes und des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen eines der schlimmsten dieser Lager aufzulösen. Militärisch-polizeilicher Schutz durch UNO-Blauhelme sei dazu notwendig. Unkontrollierte Freilassungen brächten die Gefangenen nur noch in größere Gefahr.

Bei der 47. UN-Vollversammlung in New York spielte am Dienstag abend das Thema der Lager keine Rolle. Vielmehr kreiste die Diskussion um die Frage, ob der Föderativen Republik Jugoslawien, d.h. der aus Serbien und Montenegro bestehenden Föderation, noch ein Sitz in der Weltorganisation zustehe oder nicht. Die Meinungen darüber waren geteilt: Die Länder der EG und die USA verlangten, die Mitgliedschaft einzufrieren. Die Organisation der islamischen Staaten verlangte sogar den Ausschluß Jugoslawiens. Dagegen meldeten Rußland und auch China Vorbehalte gegen eine solche Regelung an. Rußland, das neben China und Frankreich, Großbritannien und den USA zu den ständigen Mitgliedern im Weltsicherheitsrat gehört, hat offensichtlich eine diesbezügliche Resolution dieses Gremiums verhindert. Das hinter der Debatte stehende Problem bleibt damit ungelöst. Denn mit der weiteren Mitgliedschaft Restjugoslawiens wird immer noch anerkannt, daß diese Föderative Republik Jugoslawien die Rechtsnachfolgerin Jugoslawiens wäre. Dies wird jedoch von den anderen, selbständigen Republiken des ehemaligen Jugoslawien bestritten. Es geht bei diesem Problem ja nicht nur um erhebliche Vermögenswerte im Ausland (Botschaften etc.), sondern um die einem solchen Schritt folgende Aufnahmeprozedur in die Vereinten Nationen. Mit ihr wären den anderen Ländern Möglichkeiten an die Hand gegeben, die Menschenrechtsverletzungen und die Lage der Minderheiten in Serbien/Montenegro zu thematisieren. Immerhin hat der jugoslawische Ministerpräsident Panic am Mittwoch in Moskau angekündigt, die Mitgliedschaft der Föderativen Republik bei der UNO neu zu beantragen und sich damit freiwillig dieser Prozedur zu unterwerfen. Auch für die russische Regierung scheint dieser Vorschlag akzeptabel zu sein.

Auch die Vorsitzenden der Friedenskonferenz zu Jugoslawien in Genf, Lord Owen und Cyrus Vance, zeigten Sympathien für Restjugoslawien. „Wir brauchen alle Parteien am Verhandlungstisch“, betonten sie. Unterdessen wollen nun doch die Vertreter der drei bosnisch-herzegowinischen Kriegsparteien am Freitag in Genf zu Gesprächen zusammenkommen, auch die bosnisch-muslimanische Führung hat zugestimmt. Vance und Owen scheinen in bezug auf die Gespräche wieder optimistischer zu werden, betonten beide doch in Genf, daß die Haltung der Belgrader Regierung hoffnungsvoller und fortschrittlicher als zuvor sei. Dies gelte vor allem in bezug auf die Lösung der Probleme zwischen Serbien und Kroatien. Dahinter stehen Vorstellungen beider Seiten, die Republik Bosnien-Herzegowina territorial aufzuteilen. Demgemäß hat die Versammlung der Serben in Bosnien am Mittwoch erstmals formell den Willen bekundet, daß ihr Gebiet Teil des serbischen Staates werden sollte. Die Kämpfe an den Fronten gingen auch am Mittwoch mit unverminderter Härte weiter. Erich Rathfelder

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