: Einheit! - Ausgleich!? - Pleite?
■ Theo Waigel und der Stadtstaatbankrott / Neuregelung des Länderfinanzausgleichs dürfte für Hamburg teuer werden
dürfte für Hamburg teuer werden
Richtig schockiert war in der Finanzbehörde niemand, aber „abenteuerlich“ fanden Hamburgs Kassierer das Papier schon, das ihnen in dieser Woche in den Briefkasten plumpste. Absender: Der Bundesminister der Finanzen. Inhalt: Die Vorstellungen Theo Waigels zur Neuregelung des Länderfinanzausgleichs oder auch zur programmierten Pleite Hamburgs.
Die Angelegenheit drückt Finanzsenator Wolfgang Curilla schon seit Monaten aufs Gemüt. Ab 1995 soll Ostdeutschland in das komplizierte Länder-Finanzgeflecht einbezogen werden, das zum Ziel hat, die Lebensbedingungen bundesweit annähernd einheitlich zu gestalten. Mit anderen Worten, die reicheren Bundesländer zahlen an die ärmeren einen Ausgleichsbetrag, auch der Bund steuert einen kleineren Teil bei. Das Gerangel um die Beträge gestaltete sich schon in der alten Bundesrepublik recht kompliziert. Wer gibt schon gern was ab.
Doch so richtig dicke kommt's erst jetzt. Gut 30 Milliarden, so schätzen Experten heute, wird die Einbeziehung Ostdeutschlands in den Länderfinanzausgleich kosten. Die Bonner Kassen sind leer, und folglich geht Theo Waigel in seinem „Thesen“ genannten Papier
1nicht gerade pfleglich mit den alten Ländern um. Sie sollen auch ab 1995 den Löwenanteil in den Ausgleichstopf zahlen und so kräftig zum Aufschwung Ost beitragen. Rund 22 Milliarden Mark statt bisher 4 Milliarden sollen aus den Kassen der reichen in die der ärmeren Länder fließen.
Für Hamburg würde das bedeuten ... Na, so ganz sicher ist man sich in der Finanzbehörde noch nicht, aber 1,3 Milliarden Mark jährlich dürfte es ab 1995 schon
1kosten. Zum Vergleich: Im vergangenen Jahr mußte Hamburg 108 Millionen bezahlen.
Damit nicht genug. Wenn es nach den Vorstellungen Waigels geht, dann müssen die alten Bundesländer zumindest einen Teil der Schulden übernehmen, die die DDR mit in das neue Deutschland eingebracht hat. Hamburgs Anteil nach dem Waigel-Modell: Rund vier Milliarden Mark, vielleicht ein bißchen mehr, vielleicht ein bißchen weniger. Je nachdem, mit welchem Verlust die Treuhandanstalt ihre Tätigkeit beendet.
Vier Milliarden, das würde die Hamburger Staatsverschuldung auf einen Schlag von 21 auf 25 Milliarden erhöhen. Zusätzlich anfallende Zinsen: 400 Millionen Mark jährlich, mehr als Kultursenatorin Weiß im selben Zeitraum ausgeben darf. Für die Finanzbehörde „der sichere Weg in den Stadtstaatbankrott“.
Natürlich, Hamburg müßte den Offenbarungseid nicht alleine leisten. Alle westdeutschen Bundesländer — Ausnahme: Bremen und das Saarland — dürften blechen. Wollen sie aber nicht. Und so haben sich die SPD-geführten Bundesländer, wohl wissend, was da auf sie zukommt, vor 14 Tagen an einen Tisch gesetzt und ihre Position aufgeschrieben. Danach müßte, wen wundert's, Bonn den größeren Anteil am Finanzausgleich bezahlen.
Der Bund, so heißt es in dem SPD-Länder-Papier, müsse zunächst einmal die fünf neuen Länder „auf ein Niveau der Finanzkraft bringen, das mindestens der Finanzkraft des schwächsten Landes der alten Bundesländer entspricht.“ Was dann noch übrig bleibe, das könnten die Länder übernehmen. Soll heißen, von den mindestens nötigen 30 Milliarden wollen die Alt-Länder höchstens 10 Milliarden aufbringen.
Hamburg müßte in diesem Fall rund 500 Millionen Mark jährlich zahlen, eine Summe, die Finanzsenator Wolfgang Curilla in seiner mittelfristigen Finanzplanung bereits für den Finanzausgleich auf die hohe Kante gelegt hat. Mit den Alt-Schulden Ostdeutschlands wollen die SPD-Länder dagegen gar nichts zu tun haben. Sie sollen aus Bundesbankgewinnen, Privatisierungserlösen (Telekom) und der Bundeskasse bezahlt werden.
Bleibt die Frage: Wer setzt sich durch, beziehungsweise, wer sitzt am längeren Hebel und kann seine Vorstellungen deutlicher in einen notwendigen Kompromiß einbringen? Waigel braucht die Zustimmung der Bundesratsmehrheit und plant deshalb — geschickt, geschickt — mit jedem Land einzeln zu verhandeln. Man kann ja zumindest versuchen, mit kleinen Zugeständnissen, zum Beispiel für Bremen und das Saarland, die Phalanx der SPD-Bundesländer zu brechen.
Denn ganz so fest zusammengeschweißt sind die nicht. Es sei nicht besonders leicht gewesen, eine gemeinsame Position zu Papier zu bringen, hieß es gestern aus der Umgebung von Senatschef Voscherau. Uli Exner
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen