: Der Rächer der Radfahrer
Einsatz im Verkehrs-Forest oder: Die Pfeile des ■ Dr. Martin Hood
Irgendwie sieht er ja auch aus wie Robin Hood. Ein bißchen in die Jahre gekommen, klar, aber immerhin: der wuchernde Bart, das kaum zu bändigende Haar, der wache Blick. Es hat schon was Verwegenes, wenn er im unermüdlichen Einsatz für die Zukurzgekommenen über den Rathausmarkt eilt, um dann im sicheren Hinterhalt der GAL-Fraktionsbüros einen neuen Pfeil zu spitzen. Dr. Martin Schmidt, im richtigen Leben grüner Bürgerschaftsabgeordneter und Spezialist für das frühgriechische Epos, ist der Freund der Entrechteten im Dickicht des Hamburger Straßenverkehrs. Der Rächer der geplagten Fahrradfahrer.
Klar, Hamburg liegt nicht im Sherwood Forest, und Armbrust oder Schwert sind nicht die Waffen eines klassischen Philologen. Martin Schmidts Pfeile sind die „Kleinen Anfragen“ an den Hamburger Senat. Mit ihnen piesackt er all jene fahrradfeindlichen Verwaltungsbeamten, die seiner trampelnden Klientel das Leben schwer machen. Radwanderwege, auf denen das Radfahren verboten ist, Straßenkreuzungen, die ausschließlich den Autos vorbehalten zu sein scheinen, Radwege, die im Nichts enden. Keine Schikane, gegen die der GALier noch nicht zu Felde gezogen wäre. Lieblingsthema seiner inzwischen 25 Anfragen zum „Radfahren in Hamburg“: Baustellen, die mit dem jeden Radler nervenden Schild „Radfahrer bitte absteigen“ verziert sind.
Am 10. Juli 1991 zog Schmidt den ersten Pfeil aus seinem Anfragen-Köcher. Er war beschriftet mit 14 Fragen zu zwei Radfahrer-Absteigen-Schildern in Ottensen. Auszüge: Bedeutet das Schild, daß Radfahrer ihr Gefährt auf der Straße oder auf dem Gehweg schieben sollen? Oder bedeutet das Schild etwa gar nichts? Warum werden mit diesen Schildern nur männliche Radfahrer zum Absteigen veranlaßt? Die Behörden mußten passen, gaben zu, daß für die Schilder keine „straßenverkehrsbehördliche Anordnung“ erteilt worden war, und versprachen, daß sie entfernt werden.
Wir ersparen uns hier, auf die 23 folgenden Pfeile einzugehen, sie trafen alle ins Ziel, führten die Behördenwillkür vor und gelegentlich zu winzigen Erleichterungen. Teilerfolge, die die Grundordnung des Hamburger Verkehrs-Forest noch nicht ins Wanken bringen konnten. Vielleicht schafft das ja die 25. An-
frage, die Schmidt in diesen Tagen dem Verkehrssenator Wagner zustellte. In ihr faßt der Rächer zusammen, was er bisher noch nicht erreicht hat, und endet mit der Frage 12, die eigentlich eine Feststellung ist: „Alles wird gut.“ Wäre dem so, dann könnte sich Martin Schmidt wohl zurückziehen und wir riefen ihm zu: Robin, wir danken dir. Uli Exner
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