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Die erste schwarze Marilyn

■ Dorothy Dandridge in „Mörder an Bord“, Sa., 0.08 Uhr in der ARD

Als Edwin Rumill das Kommando über die „Berwind“ übernimmt, muß er erkennen, daß man ihm einen heruntergekommenen Seelenverkäufer mit einer zwielichtigen Mannschaft anvertraut hat. Schon sein Vorgänger kam unter mysteriösen Umständen ums Leben, und auf hoher See muß auch Rumill um sein Leben bangen.

Die einzige Frau an Bord ist die attraktive Mahia, die Gattin des Kochs, dargestellt von Dorothy Dandridge, deren Auftritte von Regisseur Andrew L. Stone förmlich zelebriert wurden. Das Ungewöhnliche daran: Dorothy Dandridge war schwarz. Daß ein derartig zentraler Charakter anno 1958 mit einer afroamerikanischen Schauspielerin besetzt wurde, verblüfft die Filmhistoriker noch heute.

Dorothy Dandridge war eine Ausnahmerscheinung: Sie ging in die Filmgeschichte ein als erster dunkelhäutiger Hollywood-Star von Rang. Trotz ihres Ruhms scheiterte sie an der Skrupellosigkeit der Traumfabrik. In vielem erinnert ihr Schicksal an das der fast gleichaltrigen Kollegin Marilyn Monroe.

Als Tochter einer Schauspielerin wurde Dorothy geradezu ins Metier hineingeboren. Ruby Dandridge lenkte ihre beiden Töchter Vivian und Dorothy denn auch früh in Richtung Showgeschäft. Als „The Wonder Kids“ standen die Schwestern bereits im Kindesalter auf der Bühne. Später formierten sie das Trio „The Dandridge Sisters“, absolvierten die übliche Ochsentour durch die Nachtclubs und wurden sogar für den renommierten Cotton Club engagiert. Nebenher spielten sie kleinere Filmrollen, u.a. in der Marx-Brothers- Komödie „A Day at the Races“.

Mitte der vierziger Jahre machte sich die agile Vivian selbständig. Dorothy heiratete den Berufskollegen Harold Nicholas und brachte eine geistig behinderte Tochter zur Welt. Bald nach der Geburt wurde die Ehe geschieden. Die sensible junge Frau kompensierte ihr unglückliches Privatleben durch ein Übermaß an Arbeit. Unermüdlich studierte sie Tanz, Schauspiel und Gesang, probte und übte bis zur Erschöpfung. An der Seite des schwarzen Komponisten Phil Moore gelang der eher scheuen, häufig von starkem Lampenfieber geplagten Künstlerin der Durchbruch in den Nachtclubs.

Hollywood wurde aufmerksam, es folgten erste Hauptrollen in „Tarzan's Peril“ und „Bright Road“, schließlich Starruhm dank Otto Premingers Musical-Adaption „Carmen Jones“. Ihr kometenhafter Aufstieg glich einer Sensation in einer Branche, die angstvoll Rücksicht nahm auf die möglichen Ressentiments des Publikums und darum schwarze KünstlerInnen nur selten in attraktiven Rollen einsetzte. Dorothy Dandridge war die erste Afroamerikanerin, die für den Oscar als beste Schauspielerin nominiert wurde, die erste auch, die auf einem Life-Cover abgebildet wurde. Sie vertrat ihr Land beim Festival in Cannes und war die erste schwarze Aktrice, die Liebesszenen mit weißen Männern spielte.

Medien und Publikum feierten sie als Idol, ein persönlicher Triumph, der auch politische Bedeutung hatte: Dandridges Erfolg wurde von der beginnenden Bürgerrechtsbewegung als ermutigendes Zeichen gewertet. Trotz allem blieb ihr eine konstante Filmkarriere verwehrt. Allein ihrer Hautfarbe wegen trauten sich Hollywoods Produzenten nicht, sie in angemessenen Produktionen einzusetzen.

Frustriert ging sie wieder auf Clubtourneen und heiratete einen Hochstapler, der sie um ihr Vermögen brachte und anschließend verließ. Die vereinsamte und verarmte Künstlerin trank und schluckte Tabletten. Eine Kur in Mexiko schien ihr Befinden zu bessern, und sie nahm ihre Arbeit wieder auf. Ein neuer Filmvertrag war bereits unterschrieben, als sie am 8. September 1965 leblos aufgefunden wurde. Todesursache: eine Überdosis Antidepressiva. Harald Keller

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