: Familienrecht soll reformiert werden
Deutscher Juristentag in Hannover beendet/ Wiedergutmachungsgedanken zwischen Täter und Opfer soll stärker im Strafrecht verankert werden/ Keine Debatte um die deutsche Verfassung ■ Aus Hannover Jürgen Voges
Einige beachtenswerte Vorschläge zur Reform des Familien- und Strafrechts hat der 59.Deutsche Juristentag erbracht, auf dem sich in Hannover 2.500 Juristen weniger den aktuellen, als vielmehr den längerfristigen Rechtsproblemen widmeten. So empfahl die familienrechtliche Abteilung des ersten gesamtdeutschen Juristentages mit „überwältigender Mehrheit“, im bundesdeutschen Recht die generelle Differenzierung zwischen ehelichen und unehelichen Kindern nicht mehr aufrechtzuerhalten. Die Familienrechtsexperten wollten den „Anstoß geben zu einer gründlichen und zügigen Reform“ des gesamten bundesdeutschen Kindschaftsrechts. Das gemeinsame Sorgerecht für ihre Kinder soll etwa künftig auch unverheirateten Elternpaaren zustehen. Im Falle der Trennung oder der Scheidung soll es außerdem immer dann beim gemeinsamen Sorgerecht bleiben, wenn nicht ein Elternteil oder auch das schon „einsichtsfähige Kind“ ausdrücklich eine Sorgerechtsregelung beantragt. Diese Beschlüsse ließen „eine starke Tendenz zur autonomen beiderseitigen Elternverantwortung erkennen“, sagte die Vorsitzende der familienrechtlichen Abteilung, die Münchner Professorin Dagmar Coester-Waltjen in der gestrigen Abschlußdiskussion.
Die strafrechtliche Abteilung des Juristentages empfahl mit großer Mehrheit, vor Verurteilungen den Wiedergutmachungsgedanken, den Täter-Opfer-Ausgleich, stärker zu berücksichtigen. Ein solcher Ausgleich soll nach Auffassung der Strafrechtler bei einer Verurteilung in der Regel strafmildernd zu Buche schlagen und auch die Aussetzung einer Haftstrafe zur Bewährung erleichtern. Die Strafrechtsexperten wollten bei einer Wiedergutmachung auch die Möglichkeiten zur Verfahrenseinstellung gesetzlich erweitert sehen.
Bedeutung vor allem für den Alltag der Autofahrer könnte der Vorschlag des Juristentages in Sachen Fahrverbot erlangen: Das befristete Fahrverbot soll künftig bis zu einem Jahr verhängt werden und bei Verkehrsdelikten auch zur „Hauptstrafe“ erhoben werden können. Mit dem Gedanken, auch andere als Verkehrsdelikte künftig mit einem Fahrverbot zu ahnden, mochte sich die strafrechtliche Abteilung allerdings nicht anfreunden. Auch DDR-spezifische Strafformen, wie etwa die öffentliche Mißbilligung, wollte sie nicht in das bundesdeutsche Strafrecht übernommen sehen.
Die Verfassungsdiskussion spielte auf dem Juristentag keine Rolle. Als man vor 2 Jahren mit der wissenschaftlichen Vorbereitung des ersten gesamtdeutschen Juristentages begann, glaubte man noch, mit einer Diskussion der juristischen Probleme der Vereinigung in Hannover bereits zu spät zu kommen.
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