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Freitaler Stahlwerker gerettet

Treuhand-Verwaltungsrat für Privatisierung/ Werk wird an Siegener Investor verkauft/ Monatelanger Kampf der Belegschaft erfolgreich/ Verkauf der Warnow-Werft gebilligt  ■ Von Detlef Krell

Berlin/Dresden (taz) — Die Sächsischen Edelstahlwerke Freital sollen doch nicht liquidiert werden. Der Verwaltungsrat der Treuhand hat sich am Freitag auf die Erhaltung des Werkes geeinigt. Einzelheiten waren zunächst nicht zu erfahren.

Damit übernimmt die Siegener Boschgotthardshütte Breyer GmbH das Edelstahlwerk. Gestern verhandelte die Treuhand zugunsten einer Privatisierung der umstrittenen sächsischen Hütte. Entgegen ihrer zu Wochenbeginn erklärten Absicht, die Hütte zu liquidieren, stellte die Treuhand damit die Weichen für den Erhalt des einhundertfünfzigjährigen Stahlstandortes. Der Pferdefuß dieser neuerlichen Zusage ist das Finanzierungsmodell. Sachsen soll mit einer Anschubfinanzierung von 36 Millionen Mark zur Kasse gebeten werden und Fördermittel bereitstellen sowie Bürgschaften in Höhe von 250 Millionen Mark übernehmen. Als Gegenleistung will die Treuhand 500 Millionen Mark Altschulden erlassen.

Das Sanierungskonzept der Boschgotthardshütte setzte sich gegen ein im Unternehmensvorstand entwickeltes management buy out- Konzept durch. Es sieht eine umfassende Modernisierung des Werkes vor; ab 1994 sollen rund 1.100 Edelstahlwerker wieder Stahl schmelzen und walzen. Noch arbeiten dort rund 2.300 MetallerInnen.

Von den rund 10.500 Arbeitsplätzen in den zehn größten Freitaler Betrieben sind heute nur noch 3.500 vorhanden. Am Edelstahlwerk Freital rieben sich seit mehr als einem Jahr die Interessen von Treuhand, Landesregierung, Kommune und Belegschaft. Nachdem Thyssen als potentieller Investor abgesprungen war, beabsichtigte die Treuhandanstalt mehrmals, das Werk zu liquidieren. Im Frühjahr erzwang die Belegschaft mit einer aufsehenerregenden Betriebsbesetzung ein Spitzengespräch zwischen Landesregierung, Aufsichtsrat, IG Metall, Betriebsrat und Treuhand. Im Juli zog die oberpfälzische Neue Maxhütte ihr Kaufangebot zurück, nachdem der Freistaat Bayern — er hält 45 Prozent Anteile an der Hütte — den Preis für „finanziell nicht machbar“ befunden hatte. Schließlich standen das Siegener und das management buy out- Konzept zur Debatte. Vergangene Woche sickerte aus Berlin durch, daß den beiden Konzepten keine Chance mehr gegeben werde. Belegschaft und BürgerInnen der Stahlstadt stellten sich darauf wieder vor die Werkstore. Sachsens Wirtschaftsminister Schommer (CDU) verhandelte mit der Treuhand und erreichte, daß das Thema Freital noch einmal von der Tagesordnung des Vorstandes genommen wurde. Doch schon am darauffolgenden Dienstag empfahl der Vorstand erneut die Liquidation. Gegen diesen Plan protestierten letzten Mittwoch zweitausend MetallerInnen aus ganz Sachsen mit einer Blockade des Dresdner Flughafens.

Die Treuhand stimmte ferner dem Verkauf der Warnow-Werft (WW/ Rostock/Warnemünde) an den norwegischen Kvaerner-Konzern zu. Mit der Übernahme durch die Kvaerner Deutschland GmbH (Rostock) werden, einschließlich Auszubildenden, 2.150 Arbeitsplätze gesichert. Auf der Werft werden 575 Millionen DM investiert.

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