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Antigone in BHV

■ Premiere im Bremerhavener Stadttheater: Die Figuren bleiben Klischees

Keinen Blick auf Theben zeigt die Bühne im Großen Haus des Bremerhavener Stadttheaters. Die Tragödie der „Antigone“ von Sophokles spielt vor einer haushohen Wellblech-Wand, aus deren Türen, Fenstern und Klappen die Figuren treten. Der Chor steigt aus dem Orchestergraben ans Licht. Antigone und Schwester Ismene krabbeln durch eine schmale Luke am Boden der Wand nach vorn. König Kreon hält seine staatsmännischen Reden meist von oben herab. Er steht auf einer Plattform, die sich aus der Wand lösen läßt. Dies funktionale und imponierende Bild von Wolf Gross (Bühne) hätte dem Eröffnungs-Stück der neuen Bremerhavener Spielzeit Konturen geben können, aber Gast-Regisseur Paul Becker ebnet die klassische Auseinandersetzung zwischem göttlichem Auftrag und Staatsräson zugunsten eines flachen Streites ein, der von vornherein entschieden ist.

Antigone, die ihren Bruder, Landesverräter Polyneikes, begräbt, und Kreon, der sein Verbot mit der Todesstrafe ahndet, bleiben Klischees. Kreon (Stephan Larne) ist ein schleimiger, cool auftretender Herrenmensch im weißen Smoking mit Glitzerhemd darunter. Antigone (Harriet Kracht) mit schwarzem Rock, schwarzem, löchrigen Hemd und schwarzem Stirnband ist die gute Rebellin. Kreons Sohn Hämon (Dirk Böhling) tritt als Edelrocker in schwarzem Leder auf, Antigones Schwester Ismene (Isolde Wabra) als holde, langhaarige Weiblichkeit, der Wächter (Kay Krause) ist vor allem eine komische Figur.

Paul Bäcker kontruiert lauter Typen, und wenn Harriet Kracht als Antigone mehr zeigen will, dann wird sie auf Manirismen wie zitternde Hände (in Fesseln) und zitternde Sprechweise festgelegt. Die emotionalen Ausbrüche der Figuren arten in theatralisches Geschrei aus; was ernst sein soll, kippt um in unfreiwillige Komik. Nur der Chor — mit Horst Kroll als augezeichnetem Chorführer — darf aus diesen öden Stilisierungen ausbrechen. In langen Mänteln, mit Spazierstöcken und Hüten erscheint er als Ansammlung von Biedermännern und —frauen, die erst Kreon zujubeln, um sich nach seinem Sturz von ihm abzuwenden. Ohne diese Wendehälse wäre „Antigone“ eine Totgeburt. hans happel

Weitere Vorstellungen:

Am 25.9. (20.00 Uhr),

27.9. (19.30 Uhr),

6.10. (20.00 Uhr)

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