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KOMMENTAREUmwelttag ohne Umweltjünger

■ Warum den Organisatoren des Deutschen Umwelttages die Umweltbewegung wegblieb

Der Deutsche Umwelttag in Frankfurt sollte nach der erklärten Vorstellung der Veranstalter ein Kirchentag der Umweltbewegung werden. Doch Kirchentage haben eherne Gesetze. Bevor das Ereignis stattfindet, wird ein halbes Jahr lang die Basis mobilisiert, man gibt ihr das Gefühl, sie selbst sei letztlich entscheidend am Großunternehmen beteiligt und setze dort die eigenen Vorstellungen um. Dazu gehört Vorbereitung in den Ortsgruppen, ein frühzeitiges Versenden des Programms, auf daß die Basis hochmotiviert an den Ort des Geschehens eile.

Die Veranstalter des Deutschen Umwelttages aber erfüllten keine dieser Voraussetzungen. An der eigenen Basis wurde trotz dreijähriger Vorbereitungszeit nicht geworben, sie wurde vielmehr als Müsli- und Körnerfraktion beschimpft. Das Programm lag erst am Tag der ersten Veranstaltung vor, zu spät, um die Basis und die interessierte Öffentlichkeit zu motivieren.

Gescheitert ist schließlich auch das unermüdliche Werben der Organisatoren des Umwelttages um den Beelzebub. Die Wirtschaft sollte zum Umwelttag kommen und dort vor der geballten Macht der umweltbewegten Bürgerinnen und Bürger dem Bösen abschwören. Dialog '92, wie ihn die Organisatoren sich vorgestellt hatten. Auch dieses Kalkül ging nicht auf. Die deutsche Wirtschaft läßt sich öffenlich so einfach nicht in Gut und Böse spalten. Wer mit hochrangigen Wirtschaftsvertretern diskutiern will, darf die Atomlobby nicht ausladen, war die Botschaft des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI). Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus.

Namhafte Industrievertreter kamen nicht, schickten statt dessen im wesentlichen Pappnasen vor. Diskussionspapiere, mit deren verwässerten Formulierungen die Wirtschaft an Bord geholt werden sollte, blieben verwässert — auch ohne die Unterschrift des BDI. Und die Politik, abgesehen von den unermüdlichen Matadoren Töpfer und Fischer, zog heimatliche Gefilde dem kalten Wind zwischen den leergebliebenen Frankfurter Messehallen vor. Die Frankfurterinnen und Frankfurter schließlich — Organisatoren, Mitstreiter und Journalisten eingeschlossen — kauften bis zum Samstag kümmerliche 10.000 Karten.

Was sagt der Mißerfolg über die Stärken und Schwächen der Umweltbewegung? Wenig und doch viel. Der zentralistisch geplante Umwelttag reflektiert sicher nicht die Stärke Tausender von Bürgerinitiativen und Öko-Ortsgruppen in der Republik. Die sind in Sachfragen häufig genug ihren Gegnern in den Verwaltungen und Industriebetrieben mehr als gewachsen. Mit ihnen wird auch nach Frankfurt zu rechnen sein.

Das Desaster der Veranstaltung reflektiert aber immerhin das konzeptionelle Chaos in den Zentralen und bei der Lobby der Umweltverbände. Die Fleischtöpfe gesellschaftlicher Anerkennung glaubten die Umweltprofis Ende der achtziger Jahre endlich erreicht zu haben. Steigende Mitgliederzahlen sorgten für eine stabile finanzielle Basis. So manchem alten Kämpfer hat das Bier mit dem Minister oder dem Vorstandsvorsitzenden dabei den Sinn für die politischen Realitäten vernebelt.

Die schlugen brutal zurück. Nach der Vereinigung drängten andere Themen in die Köpfe der Menschen und die Terminkalender der Politiker. Die Wirtschaft war zwar viel heterogener geworden, ökologische Manager zerstörten allenthalben ein klares Feindbild. Gleichzeitig wurden aber in der aufziehenden Rezession auch bei den Bossen die Spielräume für das bißchen Umweltschutz enger: Die Ökologie wurde das erste Opfer des betrieblichen Rechnungswesens.

Die Umweltverbände haben nach der Vereinigung kein Konzept für die sich verändernde Realität. Viele der Ökologen haben in der Euphorie der vergangenen Jahre nicht begriffen, daß auch nach dem Kaffeeplausch mit dem Chefindustriellen die Gegenmacht aufrechterhalten werden muß, wenn der Dialog Ergebnisse bringen soll. Statt dessen rennen Umweltverbände, wie ein Manager des Otto-Versands süffisant bemerkte, bei ihm die Bude ein mit Angeboten zum Öko-Sponsoring.

Konsequenzen sind erforderlich: Bei den Leuten, die den Umwelttag organisatorisch und konzeptionell zu verantworten haben. Aber auch bei den Verbandsstrategen, die sich schon auf der Siegerstraße wähnten und in der Geheimdiplomatie vor dem Umwelttag von Industriekapitänen und Bonner Politikern exemplarisch naß gemacht wurden. Kein Dialog mehr ohne wirksame eigenen Drohpotentiale. Schade nur um die vielen anregenden, spannenden und auch kontroversen Veranstaltungen in Frankfurt. Hermann-Josef Tenhagen

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