: Streit in der Kirche über Asylrecht
■ Vor der Zusammenkunft der Nordelbischen Synode: Basis läuft Sturm gegen einen Beschluß der Kirchenleitung, der eine Änderung des Asylrechtsartikels nicht mehr ausschließt...
,
der eine Änderung des Asylrechtsartikels nicht mehr ausschließt / Pastoren-Kritik: »Aufgaben auf den Kopf gestellt«
„Ich bin ein Fremder gewesen, und ihr habt mich aufgenommen“ - wird dieser Jesus-Spruch künftig in der Nordelbischen Kirche nicht mehr für jeden Fremden gelten? Solche Befürchtungen hegen PastorInnen und Mitglieder der Kirchenkreise Stormarn und Altona. Wenige Tage vor der ab Donnerstag in Rendsburg tagenden Nordelbischen Synode laufen sie Sturm gegen einen Beschluß der Nordelbischen Kirchenleitung. Dieses 13köpfige Gremium aus Theologen, Laien und den Bischöfen aus Hamburg, Lübeck und Schleswig hatte jüngst erklärt, daß eine Änderung des Asylrechtsartikel 16 im vereinten Europa ein vorstellbarer Weg sei.
Damit hat das Leitungsgremium einen handfesten Streit für die Zusammenkunft des Kirchenparlaments programmiert. Denn noch im vergangenen Herbst hatte sich dieses eindeutig gegen eine Einschränkung des Asylrechts ausgesprochen. „Die Synode tritt dafür ein, daß (...) gerade in Erinnerung an die Zeit des Nationalsozialismus eine Einschränkung des Asylrechts auch in Zukunft nicht in Betracht kommt. Die Synode ermutigt die politisch Verantwortlichen (...), das Asylrecht aktiv zu verteidigen“, lautete der Beschluß der 140 Synodalen im Oktober 1991.
Obschon die Kirchenleitung auch jetzt erklärt, daß das individuelle Grundrecht auf Asyl nicht angetastet werden dürfe, hagelt es von der Kirchenbasis harsche Kritik. Vor allem der Passus „In das Asylverfahren werden Personen, die falsche Angaben zur Person machen, nicht aufgenommen“, sorgt für Ärger. „Unter solchen Bedingungen hätte Willy Brandt auf der Flucht vor den Nazis in Norwegen keine Chance gehabt“, kommentiert dies der Synodale und ehemalige Vizepräsident des Kieler Landtags, Alfred Schulz. Auch die Synodale Hannah Fetköter (Storman) hält dagegen: „Die Kirche hat den Fremden die Tür zu öffnen und nicht eine Diskussion über schlechte und gute Flüchtlinge anzuzetteln.“
Daß die Kirche mit solchen Äußerungen „ihre Aufgaben auf den Kopf stellt“, meint auch St.Pauli- Pastor Christian Arndt. Und meint gar: „Die Kirchenleitung macht sich so auf rechtsstaatlichem Weg zum Erfüllungsgehilfen rechtsradikaler Parolen.“ In einem Brief verlangt der Altonaer Pastorenkonvent jetzt von dem Leitungsgremium, sich für den Erhalt des Artikel 16 einzusetzen. Der Kirchenkreis Stormarn will die Synode am Donnerstag auffordern, auch weiterhin zu ihrer Erklärung vom vergangenen Jahr zu stehen.
Für Unmut bei der Kirchenbasis sorgte aber nicht nur der Inhalt der Erklärung, sondern auch deren Zustandekommen. „Ein Überraschungsschlag, der denjenigen, die mit Flüchtlingen arbeiten, in den Rücken fällt“, meint Hannah Fetköter. Auch ärgert viele Kirchenmitglieder, daß mit dem Schwenk der Nordelbischen Kirche offensichtlich dem SPD-Vorsitzenden und Ministerpräsidenten Björn Engholm bei seinem neuen Asyl-Kurs der Rücken gestärkt werden soll.
Der Verdruß hat Folgen. Denn die Motivation, sich an der Demonstration gegen Ausländerfeindlichkeit am 29. September zu beteiligen, zu der Nordelbische Kirche, DGB, Landesjugendring und SchülerInnenkammer aufrufen, ist an der Basis gering. Derzeitiger Diskussionsstand einiger Initiativen: Teilnahme ja, aber eine eigene Kundgebung für den Erhalt des Artikel 16. Sannah Koch
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen