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Grundgesetzänderung

■ betr.: "Wann - wenn nicht jetzt?", taz vom 16.9.92

betr.: „Wann — wenn nicht jetzt?“ von Horst Meier,

taz vom 16.9.92

Der Intention, endlich ernsthaft eine radikale Neuschreibung des Verfassungstextes zu beginnen, kann ich nur herzlich und nachdrücklich zustimmen. Beginnen muß die Neuschreibung beim Artikel Eins. Der schwammige „Würde“-Begriff zergeht in Sinnlosigkeiten und Irrsinn. Mein Vorschlag für diesen neuzuschreibenden ersten Satz: „Die Ehre jedes Menschen bleibt unantastbar.“ Pfarrer M.Milbradt, Berlin

Nicht nur das verfassungspolitische Denken leidet in Deutschland unter Auszehrung, sondern intellektuelles allgemein und politisches ganz besonders stark. Das hat wohl weniger mit der Vereinigung zu tun, als vielmehr mit dem Nachlassen des Willens, sich der Mühe und Anstrengung geistiger und argumentativer Auseinandersetzung zu unterziehen.

Meier nennt die Ausgestaltung der Aufgaben, die die Bürgerbeteiligung mit sich bringen wird, so sie denn in einer neuen Verfassung Raum finden wird, konservativ. Ich sehe das anders. Es gehören doch wohl ein progressiver Impetus sowie ständig ein intelligentes, kreatives Denken und Handeln dazu, um den Verfassungstext mit Leben zu erfüllen. Zu irrenden WählerInnen nur so viel: Mit mehr BürgerInnenbeteiligung und Rechten, die tatsächliche Mitbestimmung in politischen und Sachfragen gewährleisten, wird auch das Interesse an Politik wiedererwachen, so daß sich Irrtümer schon dadurch reduzieren werden. Die Menschen sind doch nicht wahlmüde und politikverdrossen, weil sie schlicht keine Lust haben, etwas zu tun, sondern weil sie in einem langen, sich stetig verstärkenden Prozeß von der Nutzlosigkeit des Wählens oder des Einspruchs gegen real betriebene Politik überzeugt worden sind. [...] Ich halte es daher für äußerst wichtig, endlich das Recht der Verbandsklage festzuschreiben sowie die Mitgestaltung bei der Gesetzgebung. Umweltschutzverbände, in denen sich heute schon viele Menschen engagieren, böten durch mehr Rechte und Mitbestimmung auch wieder Möglichkeiten, für Erfolgserlebnisse und daher auch für noch mehr Motivation. Es würden größere Chancen erwachsen, sich gegen Parteienfilz und Verbürokratisierung der Gesellschaft zur Wehr zu setzen, da verankerte Grundrechte einzufordern wären. Es täte nicht nur den Menschen gut, sondern auch der in großen Teilen verlorengegangenen Demokratie.

Wer meint, daß Deutschland für Plebiszite nicht reif oder stabil genug sei, gesteht doch unterschwelig ein Defizit an demokratischem Denken ein. Wenn die Bundesrepublik so demokratisch und aufgeklärt war, wie immer behauptet wurde, fiele der Prozentsatz der Ostdeutschen bei Volksabstimmungen doch gar nicht ins Gewicht. [...] Und die große Utopie, die Horst Meier in der neuen Verfassung zu fehlen scheint, besteht schon darin, daß der Umweltschutz als Staatsziel festgeschrieben werden soll. Zur Rettung der Erde, den Schutz von Natur und Umwelt, brauchen wir keine neuen Utopien, weil schon allein die vor uns liegenden Aufgaben einer utopischen Vision nahekommen. Renate Helling, Berlin

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