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Wehmütiger Hauch von Frustration

Tendenzen aktueller Skulptur auf Kampnagel: Die Ausstellung  ■ x3

löst ihren Anspruch nur begrenzt ein

Eine Leiter ragt im ersten Stock aus der Wand schräg in den Hamburger Himmel und zeigt in schöner Ambivalenz, wohin die „Tendenzen aktueller Skulptur“ gehen: direkt an den Ort utopischer Ansprüche oder auch schlicht ins Leere. Zwei Jahre haben Maren und Siegfried Fuhrmann die Ausstellung mit dem Titel „x3“ vorbereitet, zuerst noch ohne zu wissen, daß ihnen im Rahmen der Woche der bildenden Kunst 160000 Mark zugesprochen würden.

Das Konzept suchte Kunst, die sich mit dem technischen Umfeld befasst. Entgegen der Erwartung war es ausdrückliche Absicht der Organisatoren, Installationen mit Licht oder den elektronischen Medien zu vermeiden. So erfolgt die Annäherung an den aktuellen Technikbegriff in traditioneller Weise durch die Einzelskulptur. Das Dilemma mit der Technik ist schon uralt, scheinen die archaischen Ziegelobjekte von Ulf Hegewald in der Halle K3 zu sagen: der Turmbau zu Babel ist noch immer im Gange.

Und doch hebt der Mensch nicht ab, auch nicht mit Gereon Leppers riesigen, nur noch gegeneinander arbeitenden Propeller-Paaren. Ein wehmütiger Hauch von Frustration liegt über der Ausstellung, umspielt die nur scheinbar zweckfreien Metallteile von Siegfried Fuhrmann und fängt sich an den zerbrochenen Betonfragmenten Heinz Pfahlers.

Draußen, auf haushohem Gestell, schlappern Schläuche aus Gummi im Ventilatorenwind (Branko Smon) und die drei eingezäunten Betonplattformen von Veit Stratmann werden in schönster Tarnung als Fahrradständer benutzt. Wilhelm Mundts Plastik aus kunststoffgetränkten Stofflappen zeigt technische Probleme durch ihre Abwesenheit: ihre Ausdünstungen sind so stark, daß sie zur Zeit dem Publikum noch nicht zugemutet werden kann.

In KX verweisen Konrad Loders zerlegbare Ringskulpturen auf überdimensionierte Mobilität und Peter Bue läßt technische Alltagsobjekte wie Papierschnitzelmaschinen oder Tresore in voluminöser Malerei verschwinden. Entgrenzend sind die gelungenen Eingriffe der einzigen beteiligten Frau: Susanne Windelen hat in Augenhöhe die Wände mit metallgerahmten Sehschlitzen durchbrochen und benutzt Ausstellungsvitrinen nicht nur in üblicher Weise, sondern macht sie mit einem darübergestülpten Gipskörper selbst zur Plastik.

Mit den vierzehn Künstlern werden gewiß einige der Tendenzen aktueller Skulptur exemplarisch beschrieben: von Modellbildung über Konstruktion, Rekonstruktion, Dekonstruktion, Übertragung, Verfremdung bis hin zum Verschwinden im Konzept bei der in diesem Zusammenhang auf den ersten Blick reichlich unerwarteten Foto- Plakatwand von Klaus Gärtner. Das Widerspenstige dieser Ausstellung ist ihr geradezu klassisches Gehabe: es geht um die Kraft einzelner Kunstwerke als autonome Objekte.

1Dies steht im Widerspruch zum erklärenden Umfeld von Titel und Untertitel der Schau und fordert eine unmittelbare Kritik der Artefakte heraus. Die eingangs erwähnte wanddurchdringende Leiter ist da das größte Ärgernis: Die Idee ist zwar nicht neu, aber klar, die Ausführung dagegen miserabel. Da ein Mauerdurchbruch zu teuer war, ist der Außenteil mit Winkeln angeschlagen und nochmal abge-

1hängt: das Teil hat keine eigene Statik und somit keine Kraft.

Wenn den künstlerischen Ideen mißtraut wird, Skizze oder Modell nicht ausreicht, und stattdessen auf die Verführung durch ein Bühnenbild gesetzt wird, sollte dieses dann auch technisch perfekt sein. Ist nämlich die Kunst ohnedies nur noch ein Annex der Unterhaltungsindustrie, dann ist Disneyland

Richtschnur für die Perfektion in

1der Inszenierung der Wunder. Daß die technischen Notwendigkeiten einer Architektur im öffentlichen Raum Veränderungen der ursprünglichen Idee mit sich bringen, wie auch im Katalog bedauert wird, ist entweder die Grenze solcher Arbeiten oder bleibt eine zu lösende Forderung an den Künstler. Hajo Schiff

KX, K3 und Freigelände Kampnagel, Di. bis So. 16 bis 20 Uhr, bis 18.10.

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