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KOMMENTARHeroin in die Apotheke!

■ Es ist an der Zeit, die Weltmacht Droge anzuerkennen

Wenn heutzutage von »mörderischem Fundamentalismus« die Rede ist, werden meist graubärtige Religionsführer aus dem Orient und ihre angeblich »mittelalterlichen« Praktiken assoziiert. Daß aber mitten im »zivilisierten« Abendland ein Fundamentalismus am Werke ist, der in seinen Konsequenzen mörderischer ist als sämtliche Ayathollas, gerät kaum in die öffentliche Wahrnehmung: Es ist der Fundamentalismus des Drogenkriegs. Die Leichen, die er produziert, werden täglich geborgen; mit den Überlebenden füllen wir unsere Gefängnisse, und die Versehrten vegetieren in der Gosse der Metropolen. Der heiligen Inbrunst aber, mit der die Drogenkrieger das Wachstum dieses Elends beschleunigen, tut das keinen Abbruch: Daß diese Toten nicht den Drogen zum Opfer gefallen sind, sondern deren Verbot, daß man/frau mit sauberem Heroin aus der Apotheke steinalt werden kann, weil es außer der Sucht auch im Dauergebrauch keine organische Schäden verursacht — dies gehört zu den bestgehütetsten Geheimnissen unserer Tage. Eine Lawine von Desinformation, die von der Regierungserklärung hinunter bis zum letzten Serien- Krimi den Mythos vom tödlichen Rauschgift predigt, hat Heroin zu einer Ikone des Bösen schlechthin werden lassen. Wer heutzutage als Sofortmaßnahme die kostenlose Verteilung an alle Süchtigen fordert, macht sich so unmöglich wie jemand, der vor der Heiligen Inquisition für die Legalisierung von Luzifer plädiert hätte. Die strikte Unterscheidung von »Gut« und »Böse« nicht zu hinterfragen ist Basis jedes Fundamentalismus, und auch der Drogenkrieg lebt von diesem eisernen ideologischen Vorhang, der Heroin und seine Dealer dem Reich des Bösen zuordnet, während ein pharmakologischer Verwandter wie Methadon mit dem Segen der Arzneimittelbehörden im Dienst des Guten steht.

Keine Macht den Drogenkriegern! Es ist an der Zeit, die Weltmacht Droge anzuerkennen — und mit ihr Frieden zu schließen. Das ernsthafte Suchtproblem der modernen Gesellschaften kann erst angegangen werden, wenn das künstliche Drogenproblem beseitigt ist. Berlin wäre nicht der schlechteste Ort, bei der Wende zum Drogenfrieden voran zu gehen: Von Deutschland aus beglückten Heroin und Kokain einst die Welt. Wenn sich nun diese Spitzenprodukte deutschen Drogendesigns seit ihrem Verbot als Menschheitsgeißel erweisen, sollte ein Export-Weltmeister verantwortungsvoll genug sein, sie wieder dahin zurück zu bringen, wo sie hingehören — in jede Apotheke. Mathias Bröckers

Siehe Bericht und Interview auf Seite 18

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