: Wiederholungszwang
■ Auch aus dem Debakel des Rhein-Main-Donau-Kanals hat die Politik nichts gelernt
Wiederholungszwang Auch aus dem Debakel des Rhein-Main-Donau-Kanals hat die Politik nichts gelernt
Es ist vollbracht. Was Karl dem Großen verwehrt bleiben mußte, woran Adolf Hitler — aus wohlbekannten Gründen — scheiterte, Franz Josef Strauß und seine Hinterbliebenen in München und Bonn setzten es in die Tat um: Die betonbewehrte Rinne zwischen Schwarzem Meer und Nordsee. Eine Verbindung, die über ihre ganze Länge absehbar mehr von Urlaubern genutzt werden wird, als von jenen Güter-Tonnagen, für die sie einmal als „unverzichtbar“ erklärt wurde. Das Projekt ist ein Fall für den Zyniker: Wo sonst hätte sich derart überzeugend bestätigt, daß Ökonomie und Ökologie keine Gegensätze sind. Der Rhein-Main-Donau-Kanal ist ökonomisch und ökologisch gleichermaßen unsinnig.
Damit könnte man das Kapitel schließen, in der Erwartung, daß die Zeit Wunden heilt und das Wissen um die Altmühl-Idylle unter Urlaubern und Einheimischen allmählich verblaßt. Und in der Hoffnung, daß, wenn schon nicht Einsicht in den ökologischen Frevel, so doch wenigstens der programmierte ökonomische Katzenjammer bei den Verantwortlichen eine Weile vorhält. Doch danach sieht es nicht aus. Der Fluch der bösen Tat fordert neue Opfer: An der Donau, die nun flußabwärts für die neuen Bedingungen zugerichtet werden soll oder im Osten Deutschlands, wohin die Karawane der Kanalbauer inzwischen weitergezogen ist. Morgen die Elbe, übermorgen die Havel. Aufschwung Ost, es gibt noch viel zu begradigen!
Das wirklich deprimierende an „Jahrhundertprojekten“ wie dem milliardenschweren Kanal zwischen Main und Donau ist die ritualhafte Besessenheit, mit der die gleichen Fehler wiederholt werden. Das Muster ist immer dasselbe. Ein Großvorhaben wird von ignoranten Technokraten in Kooperation mit der interessierten Wirtschaft erdacht. Die fachlich zumeist unbedarfte Politik glaubt den Versprechungen, der eine oder die andere will sich zu Lebzeiten ein Denkmal setzen. Protestierenden Betroffenen und Umweltschützern, die das nicht einsehen, steht im Rechtsstaat der Rechtsweg offen. Letztinstanzlich entschieden wird, wenn bereits Milliarden verbaut sind, die Abwicklung des Projekts also teurer käme als seine Vollendung. Vor Hamm-Uentrop und Kalkar fiel der Vorhang, als sie die Erwartungen der Industrie nicht erfüllten oder ein Bedarf beim besten Willen nicht mehr zu konstruieren war. Aus Wackersdorf machte sich die Stromwirtschaft schon früher aus dem Staub und ließ die Politik mit ihrem Unverzichtbarkeits-Gestammel allein.
Ein Minister hat im Zusammenhang mit dem Kalkar-Brüter einmal von der wissenschaftlichen Methode des trial and error (Versuch und Irrtum) gesprochen. Gegenwärtig laufen neben den beschleunigten Kanalprojekten in Ostdeutschland folgende Experimente: Kernfusion, bemannte Raumfahrt, Transrapid. Vorhang auf! Gerd Rosenkranz
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