piwik no script img

„Schlimmes befürchtet“

■ Jugoslawien-Vermittler Vance und Owen in Bosniens „Serbenrepublik“: Berichte über Säuberungsaktionen

Banja Luka/Sarajevo (AP/AFP) — Weil es guten Grund zu der Befürchtung gibt, „daß sich dort Schlimmes zugetragen hat“, reisten die Vorsitzenden der Genfer Jugoslawienkonferenz, Cyrus Vance und David Owen, am Freitag nach Banja Luka. In diesem Ort, der von den Serben zur unabhängigen Republik innerhalb Bosnien-Herzegowinas proklamiert worden ist, wollten sie Berichten über eine bevorstehende Massenvertreibung von Nichtserben nachgehen. Vance erklärte, er und Owen wollten deshalb vor Ort mit den verantwortlichen Politikern und mit eventuell von Säuberungsaktionen betroffenen Einzelpersonen reden.

Auf der Tagesordnung standen Gespräche mit dem bosnischen Serbenführer Radovan Karadzic sowie mit Vertretern der kroatischen und moslemischen Bevölkerung und der katholischen Kirche in Banja Luka. Anschließend wollten Vance und Owen zu einem Treffen mit dem kroatischen Präsidenten Franjo Tudjman nach Zagreb zurückreisen.

Trotz der angespannten Lage, die sich in den letzten Tagen nach Angaben von Hilfsorganisationen zusehends verschlimmert haben soll, empfingen in Banja Luka Tausende von Serben die beiden Unterhändler mit Jubel und Applaus. Sie zeigten zugleich mit drei Fingern das serbische Siegeszeichen. Karadzic erklärte, Vance und Owen seien in seiner serbischen Republik „jederzeit willkommen“.

Unterdessen gingen die Kämpfe in und um Sarajevo weiter. Bei einer Minenexplosion wurden acht UNO- Soldaten verwundet. Am Donnerstag hatte der stellvertretende Kommandant der UNO-Schutztruppen in Jugoslawien angekündigt, man werde einen Großteil der Truppen aus Sarajevo abziehen und außerhalb der Stadt an Orten stationieren, die weniger dem Artilleriebeschuß ausgesetzt seien.

Große Teile von Sarajevo waren am Freitag den vierten Tag in Folge ohne Elektrizität, nachdem serbisches Artilleriefeuer die nötigen Reparaturen an den beschädigten Stromversorgungseinrichtungen erneut verhindert hatte.

Unterdessen hat das UNO- Flüchtlingskommissariat (UNHCR) ein düsteres Bild der Versorgungslage in der Hauptstadt gezeichnet. Den Hilfsorganisationen sei es bislang nicht gelungen, die notwendigen Vorräte an Lebensmitteln und sonstigen humanitären Gütern für den Winter herbeizuschaffen, hieß es in Genf. Seit Einstellung der Luftbrücke am 3. September stehe den Hilfsorganisationen nur noch der Landweg von der kroatischen Hafenstadt Split nach Sarajevo offen. Auf dieser Route könnten täglich jedoch höchstens 44 Tonnen Hilfsgüter angeliefert werden, während im Hinblick auf den bevorstehenden Winter 200 Tonnen pro Tag notwendig wären.

Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen

Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen