piwik no script img

Tunnel für die EG

Am Sonntag entscheiden die Schweizer über zwei gigantische Tunnel als Alpendurchfahrt  ■ Aus Genf Andreas Zumach

Mit einer Volksabstimmung entscheiden die Eidgenossen am Sonntag über den Bau der „Neuen Eisenbahn-Alpen-Transversale“ (NEAT) das größte und teuerste Bauvorhaben der Schweizer Geschichte. Als „Jahrhundertwerk“ verkauft die Regierung ihre von fast allen Parteien unterstützten Pläne, ab 1995 für 15 Milliarden Franken rund 10.000 Menschen mit dem Bau eines Tunnels durch den Gotthard (50 Kilometer) und den Lötschberg (30 km) zu beschäftigen. Von „Gigantismus“ sprechen die Gegner des Projekts, darunter vor allem die Grünen und die Bewohner des Kantons Uri. Die NEAT leiste der „unverantwortlichen Zunahme des Güterverkehrs Vorschub“, die als Folge des EG- Binnenmarktes droht. Selbst EG-eigene Experten erwarten vor allem zwischen wirtschaftlichen Schwerpunktregionen wie etwa Deutschland/Benelux und Norditalien eine Zunahme von mindestens 40 Prozent bereits bis zum Jahr 2000 und eine Verdoppelung bis 2010. Den zusätzlichen Güterverkehr will die Berner Regierung mit der NEAT möglichst vollständig auf die Schiene verlagern.

Allerdings können nach den bisherigen Planungen frühestens ab 2.010 Lastwagen auf Güterwaggons durch die beiden neuen Tunnel rollen. Kritiker befürchten denn auch, daß der Druck der EG-Staaten auf Bern, zumindest zwischenzeitlich weit mehr Güterverkehr auf Straßen zuzulassen, noch einmal erheblich anwachsen wird. Zumal dann, wenn sich die Schweiz um die EG-Mitgliedschaft bewerben wird, womit für 1993 gerechnet wird. Bereits bei den kürzlich beendeten Verhandlungen über eine Aufnahme der Schweiz in die Vorstufe der EG, den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR), gab Verkehrsminister Ogi in einem Transitabkommen die bislang gültige Begrenzung auf 28-Tonner auf und konzidierte den EG-Staaten die Durchfahrt von täglich 100 40-Tonnern auf der Straße. Während die Regierung den Bau der NEAT als Nagelprobe für die Europatauglichkeit der Schweiz zu verkaufen sucht, mißtrauen die Gegner des Projekts den von Bern geschlossenen Vereinbarungen.

Tatsächlich werden die EWR/ EG-Staaten in dem Transitabkommen nicht in vertraglich verbindlicher Form verpflichtet, ihren Transitverkehr durch die Schweiz tatsächlich auf die Schiene zu verlagern soweit es die „Huckepack“-Kapazitäten jeweils zulassen. Obwohl er die Befürchtungen der Grünen weitgehend teilt, hat sich der alternative „Verkehrsclub der Schweiz“ (VCS) nach langer kontroverser Debatte jedoch mehrheitlich für die NEAT als das kleinere Übel entschieden. Dasselbe Ergebnis wird nach den letzten Umfragen auch bei der morgigen Volksabstimmung erwartet.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen