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IWF-Rezepte sollen Wachstum sichern

Auf der Jahrestagung des Internationalen Wähungsfonds finden die Industrieländer keine Lösungen für Rezession und Währungsturbulenzen/Dritte Welt beklagt Rückgang der Entwicklungshilfe  ■ Aus Washington Andrea Böhm

Für ihren positiven Beitrag zur Gastronomiebranche des Austragungsortes sind die Jahrestagungen von Internationalem Währungsfonds (IWF) und Weltbank inzwischen bekannt. Beim 47. Zusammentreffen stand die Nahrungsaufnahme offenbar derart im Vordergrund, daß IWF-Direktor Michel Camdessus seine Abschlußpressekonferenz in eine Entertainmentshow für Hobbyköche umwandelte. Die Wachstumsraten in einigen Entwicklungsländern gäben trotz des weltweit eher düsteren Ausblicks „Rezepte für eine gute Küche“ ab. Gemeint waren vor allem die lateinamerikanischen Länder, die dank der vom IWF verordneten Programme Wachstumsraten um die vier Prozent zu verzeichnen haben.

Unausgesprochen ließ Camdessus, daß die Industrieländer bei diversen Sitzungen im Rahmen der Jahrestagung nicht in der Lage waren, irgendwelche Rezepte gegen ihre eigene Währungs- und Wirtschaftskrise zu finden. Der IWF- Chef hatte allerdings mehrmals deutlich die Haushaltsdefizite in führenden Industrieländern, allen voran USA und Deutschland, kritisiert und davor gewarnt, sich allzusehr auf monetäre Gegenmaßnahmen zu verlassen. Vor allem die Bundesbank sah sich in Washington aufgrund ihrer Hochzinspolitik wieder in der Rolle des Buhmanns. Vorwürfe in unterschiedlicher Lautstärke erntete auch die US-Regierung mit ihrer Niedrigzinspolitik und der daraus resultierenden Dollar-Schwäche.

Solche Appelle werden allerdings als erstes auf Kosten der Entwicklungshilfe befolgt. Zwar nicht sprachlos, aber machtlos registrierten die Finanzminister aus den Dritte-Welt-Ländern einen Rückgang der Entwicklungshilfe. Als symptomatisch gilt das Beispiel Schwedens, traditionell ein großzügiger Geldgeber. Doch aufgrund des angespannten Haushalts hatte man in Stockholm eine drastische Kürzung der Entwicklungshilfe beschlossen. Ähnliche Schritte werden aus Großbritannien, Italien und Frankreich erwartet. Da weinte Ernest Stern, Exekutivdirektor der Weltbank, sogar alten Zeiten ein paar Tränen nach: Seit dem Ende des Kalten Kriegs fehle der ideologische Wettbewerb. „Das reduziert den Enthusiamsus für Entwicklungshilfe.“

Deutlich bekam dies auch die Internationalen Entwicklungsagentur (IDA) zu spüren, eine Weltbank- Tochter, die für besonders zinsgünstige Kredite an die ärmsten Länder zuständig ist. 18 Milliarden Dollar braucht die IDA für das kommende Geschäftsjahr, doch bei einem Rundgang mit dem Klingelbeutel zeigten sich in Washington nur die Niederlande sowie die skandinavischen Länder ansprechbar. Alle anderen blieben auf ihren Kassen sitzen. Auf die IDA-Kredite warten vor allem Länder der Subsahara, die 50 Prozent dieser Mittel in Anspruch nehmen. „Die Verteilung wird schwierig“, erklärte Weltbank-Präsident Lewis Preston, „einige Länder werden leiden.“

Die Verhandlungen über einen Aufschub für die Auslandsschulden Rußlands, inzwischen Vollmitglied von IWF und Weltbank, stagnieren weiter. Nach widersprüchlichen Aussagen russischer Vertreter bei der Jahrestagung in Washington, ist unsicher, ob sich Rußland für die gesamten 70 Milliarden US-Dollar zuständig erklärt, mit der die ehemalige Sowjetunion in der Kreide stand. Nachdem die anderen Republiken zur Zeit keinen einzigen Pfennig zahlen, weiß niemand, wer die 19 Milliarden Dollar an Zins- und Kreditrückzahlungen aufbringen soll, die 1993 fällig sind. Petr O. Aven, russischer Minister für Außenwirtschaftsbeziehungen, erklärte, sein Land sei lediglich in der Lage, nächstes Jahr 2,5 Milliarden Dollar aufzubringen. Da wiederum sträuben sich in Bonn die Nackenhaare: Deutschland ist Hauptgläubiger und will sich folglich auch nicht mit dem von Rußland verlangten generellen Aufschub von mindestens fünf Jahren für die Zahlung der Auslandsschulden abfinden. Den jedoch braucht das Land, um neue Kredite in Anspruch nehmen zu können.

Ein Lichtblick gab es dennoch zu verzeichnen: Der für die Bewilligung von Haushaltsposten zuständige Senatsausschuß genehmigte am Mittwoch doch den US-Beitrag für die bereits beschlossene IWF- Quotenerhöhung in Höhe von 12 Milliarden Dollar, was ein Unterausschuß vor wenigen Tagen noch abgelehnt hatte. Der Segen des US-Kongresses steht aber noch aus.

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