: Bischöfe unpräzise beim Asylrecht
■ Kein klares Wort zur Änderung des Artikels 16 und zu einem Einwanderungsgesetz, doch Drängen auf Erhalt der „Substanz“ des Asylrechts/ Regelung im europäischen Rahmen angemahnt
Berlin (ap/taz) — Die katholische Deutsche Bischofskonferenz hat sich auf ihrer Herbstvollversammlung nicht festgelegt, ob der Asyl-Artikel des Grundgesetzes geändert werden soll, schlug jedoch eine nicht näher präzisierte „Präzisierung“ des Asylrechts vor. Ihr Vorsitzender, der Mainzer Bischof Karl Lehmann, setzte immerhin einige Eckpunkte: Das Asylrecht dürfe in seiner Substanz nicht ausgehöhlt werden. Der Schutz für politisch Verfolgte sei „unaufgebbar“. Auch Flüchtlinge aus Kriegs- und Katastrophengebieten müßten für die Dauer der Bedrohung in Deutschland Schutz finden können. Für „Wirtschaftsflüchtlinge“ hingegen solle es eine eigenständige Zugangsregelung geben. Ob dafür ein Einwanderungsgesetz nötig sei, wollte Lehmann nicht entscheiden.
Die Bischöfe sprachen sich für ein „abgestimmtes Handeln“ der Europäischen Gemeinschaft bei der Asylproblematik aus. Er habe bei der Vorbereitung dieses Themas festgestellt, daß „das gesamte Ausländerrecht in Deutschland marode“ sei, klagte Lehmann.
Eindeutiger ist der Vorsitzende des Zentralrats der Juden, Ignatz Bubis. Eine Änderung des Artikels 16 des Grundgesetzes könne nicht die Antwort auf die gegenwärtigen Probleme, insbesondere die Gewalttaten gegen Ausländer sein. Die Diskussion über die Änderung des Asylrechts wäre für die Täter ein Signal gewesen weiterzumachen. Bubis kündigte an, daß der Zentralrat der Juden in Deutschland schon in nächster Zeit das Gespräch mit den anderen Kirchen suchen werde, um gemeinsam etwas gegen die Ausländerfeindlichkeit zu unternehmen.
Ein klares Wort kam gestern auch von der Auländerbeauftragten der Bundesregierung Cornelia Schmalz- Jacobsen. Sie sprach sich bei einer Veranstaltung zur Woche der ausländischen Mitbürger gegen eine Grundgesetzänderung aus. Kaum eine Nation habe mehr von fremden Einflüssen profitiert als die deutsche. Der französische Politologe Alfred Grosser, der ebenfalls auf der Veranstaltung sprach, betonte, daß eine Grundgesetzänderung dem Geist der Verfassung widerspreche. Darüber hinaus kritisierte er das Abkommen, wonach Sinti und Roma nach Rumänien abggeschoben werden sollen. Viele Mitglieder dieser Volksgruppe seien in Auschwitz vergast worden.
Vorstoß aus dem Süden im Bundesrat
Bonn (dpa) — Die Meinungsunterschiede in der Asylpolitik sind auch im Bundesrat am Freitag in voller Schärfe deutlich geworden. Ein Antrag Bayerns, einen Antrag zur Änderung des Grundgesetzes in den Bundestag einzubringen, wurde mehrheitlich abgelehnt. Ein Entschließungsantrag von Baden-Württemberg wurde an die Ausschüsse überwiesen.
Beide Initiativen hatten zum Ziel, trotz voneinander abweichender Positionen schnell zu einer Neufassung des Asylrechts zu kommen. Der Ministerpräsident von Baden-Württemberg, Erwin Teufel (CDU), erläuterte eine zusammen mit dem Stuttgarter Koalitionspartner SPD erarbeiteten Entschließung, in der das umstrittene Idividualrecht auf Asyl erhalten bleiben kann.
Der Münchner Innenminister Edmund Stoiber (CSU) erklärte, die Situation sei mit 274.000 Asylbewerbern allein in den ersten acht Monaten dieses Jahres nur noch dramatisch zu nennen. Er plädierte nachdrücklich dafür, Asyl nicht mehr länger als einklagbares Grundrecht aufrechtzuerhalten. Der Grundgesetzartikel 16 müsse durch die Genfer Flüchtlingskonvention ersetzt werden. Der bisher ebenfalls garantierte Rechtsweg sollte durch einen vom Bundestag bestellten Beschwerdeausschuß ersetzt werden.
In dem von Teufel vorgetragenen Entschließungsantrag hat sich die in Baden-Württemberg regierende große Koalition dafür ausgesprochen, daß Asylsuchende künftig schon an der Grenze ihren Wunsch deutlich machen müssen. Asyl soll auch dann nicht mehr gewährt werden, wenn der Flüchtling einwandfrei aus einem Staat kommt, in dem es keine politische Verfolgung mehr gibt oder über einen sicheren Dritt- Staat nach Deutschland kommt.
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