: Zirkus: Kuscheltiere oder Häftlinge?
■ Hamburgs Tierschützer machen mobil gegen Tierdressuren im Zirkus / Keine artgerechte Haltung möglich / Demonstration beim kleinen Zirkus Huberti / Mehr Auslauf beim großen Zirkus Krone...
gegen Tierdressuren im Zirkus / Keine artgerechte Haltung möglich / Demonstration beim kleinen Zirkus Huberti / Mehr Auslauf beim großen Zirkus Krone / Veterinäramt verhängt Bußgeld
„Menschen, Tiere, Sensationen!“ - der große Slogan der Zirkuswelt. Doch längst ist das unkritische Schnuppern von Zirkusluft passé. Gegen das sensationelle Treiben mit Tieren in der Manege gibt es - wie am Wochenende in Hamburg - Proteste. Denn neben der Dressur ist der Auftritt in der Manege für die Zwei- und Vierbeiner oft der einzige Auslauf. Udo Achim-Wrieske vom Hamburger Tierschutzverein: „Exotische Tiere gehören nicht in die Manege, Tiere werden zu dressierten Häftlingen.“
Ins Schußfeuer der Kritik ist vor allem der kleine „Cirkus Huberti“ geraten, der an der Moorweide seine Zelte aufgeschlagen hat. Attraktion: Neun Bären. Aufgrund von Geldmangel können die knuddeligen Viecher nur in einem Gitterwagen untergebracht werden, in denen sie beengt ihr Dasein fristen.
Dieser Zustand rief selbst die Behörden auf den Plan: Das Veterinäramt verhängte ein Bußgeld in Höhe von 5000 Mark wegen Verstoß gegen das Tierschutzgesetz.
Daß sich in dieser Woche etwas an der Situation der Tiere ändern wird, ist fraglich. Deshalb machen nun die Tierschützer mobil. Mit Transparenten bauten sie sich am Freitagabend vor der Huberti-Manege auf, um das Publikum zum Boykott aufzufordern. „Endlich nachdenken! Auf 1,7 Quadratmeter leben 300 kg Bär. Ihr Bett ist größer - und da schlafen sie nur drin.“
Während derartige Negativwerbung für Huberti schnell das Ende bedeuten kann, versucht der auf dem Heiligengeistfeld residierende „Cirkus Krone“ die Kritik zu entkräften. Krone hat zahlreiche Freigehege geschaffen, um den exotischen Tieren wenigsten ein Minimum an Auslauf zu gewähren.
Dennoch kann nach Auffassung der TierschützerInnen von artgerechter Haltung auch hier keine Rede sein. Einsam kauert ein großes Nilpferd in einer Umzäunung herum - ein Tier, das ein Leben in der Sippe gewöhnt ist. Und auch wenn die Giraffe mit ihrem 100 Quadratmeter-Auslauf nach Auffassung der Behörde ausreichenden Freiraum hat, kann das nicht darüber hinwegtäuschen, daß auch dieses Tier eigentlich in der Herde lebt. Die Krone-Elefanten befinden sich zwar nicht mehr den ganzen Tag an der Kette, einen glücklichen Eindruck machen die Dickhäuter aber nicht, was „Krone“-Sprecher Hellmuth Schramek bestreitet: „Ich wäre froh, wenn es in Deutschland allen Kindern so gut gehen würde, wie unseren Tieren.“
Trotzdem kann nicht darüber hinweggetäuscht werden, daß einige der 250 Krone-Tiere an typischen Verhaltensstörungen leiden. So ist bei den Kamelen und Elefanten deutliches „Weben“ zu bemerken, ein nervöses Hin- und Her-
134
4wanken auf einem Fleck. Und selbst die Attraktion der diesjährigen Saison, die weißen Tiger, drehen apathisch ihre kleinen Runden entlang der Stahlstreben - „Zwingertrauma“ genannt.
Während Cirkus Huberti hofft, sich vielleicht durch einen gestifteten Bärenwagen die Behörde vom Hals halten zu können, zeigen sich die Tierschützer unnachgiebig. Wrieske: „Auch unseren Kindern gegenüber sind wir verpflichtet, die Gewalt an Zirkustieren nicht uner-
1wähnt zu lassen. Kein einziges Kind hat Freude an exotischen Tieren hinter Schloß und Riegel.“ Der Zirkus könne zukünftig nur ein Ereignis sein, wenn er sich zum Strukturwandel, zur Manege ohne Tiere entschließe.
Daß derartige Forderungen nicht illusionär sind, beweist der von André Heller präsentierte „Chinesische Nationalzirkus“. Seit Jahren sind Tierdressuren aus dem Programm verbannt und durch pfiffige Alternativen ersetzt worden - die
1Manege ist immer ausverkauft.
Und wenn den Kindern kuschelige Tiger und Löwen in der Manege gezeigt werden, so gesteht auch Krone-Dompteur Gerd Simoneit ein, hat das wenig mit Realität zu tun: „Jeder Dompteur weiß, daß er den Kopf nur dann in den Rachen eines Löwen stecken kann, wenn das Tier nicht ganz bei Sinnen ist. Ein normaler gesunder Löwe läßt sich das nimmer gefallen, höchstens ein gedoptes Tier.“ Kai von Appen
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen