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Kritik an Informationsembargo

■ Der Deutsche Presserat verteilt Rügen an die Printmedien

Bonn (dpa/taz) — Der Deutsche Presserat hat vier Rügen ausgesprochen, in denen er zwei Zeitungen und zwei Illustrierten Eingriffe in Persönlichkeitsrechte oder mangelnde Sorgfalt vorwirft. Wie der Vorsitzende des Beschwerdeausschusses, Manfred Protze, in Bonn erläuterte, brauchen nur zwei dieser Rügen abgedruckt zu werden. In den beiden anderen Fällen könnte durch eine Veröffentlichung neuer Schaden entstehen.

Der Bild-Zeitung warf der Presserat vor, bei der Berichterstattung über den Mißbrauch zweier minderjähriger Mädchen durch ihre Eltern die vollen Namen von Tätern und Opfern genannt zu haben. Damit habe die Zeitung „in schwerwiegender Weise“ gegen das Gebot besonderer Zurückhaltung in Berichten über Kinder und Jugendliche verstoßen.

Eine „durch nichts legitimierte“ Story „ohne jeden Nachrichtenwert“ sah der Beschwerdeausschuß in einem Beitrag der Zeitschrift Tempo. Darin wurde über die bereits fünf Jahre zurückliegende Selbsttötung eines Landwirts unter Nennung des vollen Namens berichtet. Die Persönlichkeitsrechte der Schwester des Toten sowie der Witwe und der Kinder seien schwerwiegend verletzt worden.

Die Münchner Tageszeitung tz wurde gerügt, weil sie in einem Bericht über die Broschüre zu einer öffentlichen Veranstaltung das Grußwort des Ministers Peter Gauweiler in Beziehung zu einem in dem Büchlein ebenfalls abgedruckten Beitrag über „Sex mit Kindern“ setzte. Der Presserat monierte, daß nicht mit einem „Mindestaufwand an Sorgfalt“ zwischen Vorwort und Grußwort unterschieden worden sei.

Bereits vor einem Jahr hatte der Deutsche Presserat die wiederholte Veröffentlichung eines Fotos von der Leiche des erschossenen Mauerflüchtlings Chris Gueffroy in der Zeitschrift Super Illu kritisiert. Da das Foto im Juli erneut veröffentlicht wurde, sprach das Selbstkontrollorgan der Printmedien nun eine förmliche Rüge wegen eines schwerwiegenden Verstoßes gegen Persönlichkeitsrechte aus.

Insgesamt lagen dem Beschwerdeausschuß elf Fälle vor. Er mißbilligte den Bericht einer Tageszeitung, die unter voller Nennung von Namen und Wohnadresse des Täters über einen Mordfall berichtet hatte, und gab drei Redaktionen Hinweise zur besseren Einhaltung des Pressekodex. Drei Fälle wurden als unbegründet betrachtet. Scharf kritisierte das Plenum des Presserates, daß das Embargo der Europäischen Gemeinschaft gegen Serbien und Montenegro sich auch auf Presseerzeugnisse bezieht.

Mit Hinweis auf die Beschlagnahmung von Akten in einer Frankfurter Druckerei, in der die Tochterfirma einer serbischen Zeitung eine deutsche Ausgabe drucken ließ, betonte der stellvertretende Vorsitzende des Presserates, Heinrich Werner: „Ein Wirtschaftsembargo kann kein Informationsembargo beinhalten.“ Zensur müsse auf allen Ebenen unmöglich sein.

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