: Homo-Paare aufs Standesamt
Die Berliner FDP-Chefin Carola von Braun über die gleichgeschlechtliche Ehe und die Abschaffung der Wehrpflicht; sie rechnet mit starker Minderheit auf FDP-Bundesparteitag ■ Interview von Marc Kersten
Am kommenden Wochenende hält die FDP einen Bundesparteitag ab. Die taz sprach mit Carola von Braun über Initiativen des Berliner Landesverbandes.
taz: In diesen Tagen fordern viele Politiker eine Einschränkung des Asylrechts. Was sagen Sie einem iranischen Homosexuellen, dem die Todesstrafe droht und der bei uns Zuflucht sucht?
Carola von Braun: Niemand darf wegen seiner sexuellen Orientierung benachteiligt werden. Das muß auch ins Grundgesetz aufgenommen werden, mit allen denkbaren Auswirkungen für den internationalen Rechtsbereich. Jemand, der in seinem Heimatland wegen der sexuellen Orientierung verfolgt wird, sollte bei uns einen Zufluchtsort finden. Bei Frauen ist es ähnlich, auch hier fordern wir eine Anerkennung sexueller Verfolgung als Asylgrund.
Wenn man die Verfolgung von Schwulen und Lesben im Ausland betrachtet, dann wirkt die Forderung hierzulande nach Einführung der Homo-Ehe ja geradezu dekadent. Halten Sie das derzeitige Verbot einer gleichgeschlechtlichen Ehe für gerechtfertigt?
Diese Diskussion kommt bei uns gerade erst in Gang. Ich meine aber, daß sich der Ehebegriff — auch in der Verfassung — von der überholten Vorstellung loslösen muß, als ob es hier in erster Linie darum geht, Kinder zur Welt zu bringen. Das ist schon lange nicht mehr so. Und wenn das Zeugen von Kindern nicht mehr der Hauptgrund für eine Eheschließung ist, warum sollen dann nicht auch gleichgeschlechtliche Paare heiraten können!? Aber es ist noch ein langer Weg, bis wir in Deutschland dafür eine Mehrheit haben.
Sie sind ja nicht allein mit dieser Forderung. Auch FDP-Generalsekretär Lühr und zuletzt Ihre Kreuzberger Parteifreunde haben die Einführung der Homo-Ehe gefordert. Werden Sie den entsprechenden Antrag auf dem Bundesparteitag Anfang Oktober in Bremen unterstützen?
Das habe ich öffentlich zugesagt, auch wenn ich bei einzelnen Punkten noch fachliche Bauchschmerzen habe. Ich unterstütze die grundsätzliche Forderung, auch schwulen und lesbischen Paaren den Weg zum Standesamt zu ermöglichen!
Welche Chancen hat das?
Ich gehe davon aus, daß der Antrag mindestens von einer starken Minderheit getragen wird.
In einem anderen Antrag wird die Abschaffung der Wehrpflicht gefordert. Macht es sich die Berliner FDP da nicht etwas zu einfach?
Ich habe mich schon lange für die Abschaffung der Wehrpflicht eingesetzt. Aber erst durch die jüngsten Zahlen über die zunehmende Wehrungerechtigkeit setzt sich diese Meinung langsam durch. Im übrigen müssen Soldaten heutzutage hochqualifizierte Ingenieure sein, um diese schrecklichen Waffen überhaupt noch zu beherrschen. In einer 12monatigen Ausbildung kann man das nicht lernen.
Und was wollen Sie mit den vielen Zivildienstleistenden machen, deren Arbeit im Pflegebereich unverzichtbar geworden ist?
Der Zivildienst wird in irgendeiner Form wohl erhalten bleiben, wahrscheinlich unter anderem Namen. Was ich aber dezidiert ablehne, das ist die Einführung eines freiwilligen sozialen Jahres nicht nur für Männer. Solange Frauen einen weitaus größeren Anteil ihres Lebens für unbezahlte Tätigkeit in der Familie aufbringen müssen — zu Lasten ihrer Altersabsicherung —, läßt sich mit mir nicht darüber reden.
Besteht nicht die Gefahr, daß sich eine Berufsarmee zum Staat im Staate entwickeln könnte?
Nach dem Zweiten Weltkrieg war das sicherlich eine ernstzunehmende Befürchtung. Aber unter den veränderten Bedingungen heute dürfen wir doch optimistischer sein. Ich denke, die Demokratie ist ausreichend gefestigt, um eine Berufsarmee »aushalten« zu können.
Jetzt fordern auch noch vier FDP-Bezirksverbände, daß man ab 1994 kostenlos die BVG benutzen darf. So schön sich das alles anhört, läßt sich diese Utopie finanzieren?
Dafür gibt es im Landesverband Berlin keine Mehrheit, auch wenn sich einige sehr wichtige Kreisverbände dieser Forderung angeschlossen haben. Ich glaube auch nicht, daß sich das in absehbarer Zeit realisieren ließe.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen