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Die neue Marktwirtschaft: Rohstoffabbau statt Investitionen

■ Ausländische Unternehmen rangeln mit harten Bandagen um Rohstoffrechte und Marktvorteile

Der Passagier auf dem Weg zu Angolas Hauptstadt Luanda präsentiert am Flughafenschalter im südafrikanischen Johannesburg in aller Seelenruhe und mit größter Selbstverständlichkeit sein Handgepäck: 120 Koffer, Kisten und Pakete; Gesamtgewicht 920 Kilo.

„Das passiert öfter“, kommentiert der abgehärtete Angestellte am Schalter ob der knappen Tonne Übergepäck. Angolanische Händler nehmen die teuren Übergepäckraten und Zollgebühren hin, ohne mit der Wimper zu zucken — beim Verkauf der grellfarbenen Spielzeugpuppen, Plastikmöbel, Stoffe und Kleider, von Elektronik und Schmuck, Fahrrädern und Bügeleisen ist ihnen in der Heimat ein ansehnlicher Profit sicher.

Südafrikanische Unternehmer, die ebenfalls in Scharen nach Angola aufbrechen, sind dagegen bisher vor allem voller Hoffnung. Sie wollen beim Run auf Angolas ungenutztes wirtschaftliches Potential ihr Geschäft machen.

Das afrikanische Land erlebt nach rund 16jährigem Bürgerkrieg und gleich langer orthodox-marxistischer Staatsform eine Wiedergeburt der Marktwirtschaft. An Luandas Marginale, der Straße entlang der malerischen Bucht, wird eifrig gebaut und modernisiert. Die Luxusgüter, die in den vergitterten Schaufenstern ausgestellt sind, können sich die meisten AngolanerInnen freilich immer noch nicht leisten.

Das stoppt den Andrang forscher ausländischer Unternehmer nicht im geringsten. Die Portugiesen, einst mit Schimpf und Schande davongejagte Kolonialherren, sind wieder gern gesehen. Neben einer brasilianischen und einer britischen Firma darf eine Lissaboner Firma sogar Diamanten abbauen. Von den Deutschen, die vor Angolas Unabhängigkeit immerhin 80 Prozent des Maschinengütermarktes in der damaligen Kolonie kontrollierten, ist wenig zu sehen. Allen voran drängen die Südafrikaner nach Angola. „Wir sind sicher, daß wir in Zukunft sowohl mit einer Regierung der MPLA als auch mit einer der Unita hervorragend zusammenarbeiten werden“, erklärt ein hoher Mitarbeiter des südafrikanischen Außenministeriums.

Ein bemerkenswertes Kunststück: Südafrika schickte Mitte der siebziger Jahre Truppen nach Angola, um die revolutionäre MPLA aus der Hauptstadt Luanda zu vertreiben. Als dies nicht gelang, päppelte Pretoria gemeinsam mit den USA jahrelang die rechtsgerichtete Rebellenbewegung Unita auf. Vor eineinhalb Jahren wurde ein Waffenstillstand vereinbart, und die Regierung in Luanda öffnete die Tür für ausländische Unternehmen. Beim Kurswechsel spielte nicht nur der Zerfall der Sowjetunion eine Rolle, Angola ist außerdem mit Zahlungsverpflichtungen in Höhe von zwei Milliarden Dollar gegenüber ausländischen Schuldnern im Verzug.

Die Firmen freilich sind wenig an Investitionen in Angola interessiert, sie haben ihr Auge in erster Linie auf die weitgehend ungenutzten Rohstoffe in dem westafrikanischen Land geworfen. Mit seinen Vorräten an Diamanten, Erdöl und Erzen gilt Angola als potentiell reiches Land in Afrika.

Dabei wird mit harten Bandagen um Marktvorteile und Rechte gerangelt. Ein kleines südafrikanisches Unternehmen sah seine Zukunft bereits gesichert, weil es sich weitreichende Schürfrechte im Norden Angolas gesichert hatte. Aber der südafrikanische Monopolkonzern Anglos-American antichambrierte so lange bei angolanischen Ministern in Luanda, bis die Lizenz widerrufen und umgeschrieben wurde. Rund 50.000 „Garimpeiros“, illegale Diamantenschürfer, wühlen sich durch die Ufer des Cuango-Flusses an der Grenze zu Zaire und verteidigen sich mit schweren Waffen gegen die Behörden. Lastwagenfahrer aus Namibia schaffen ganze Ladungen mit Dosenbier und Erfrischungsgetränken in das Diamantengebiet Luanda Norte. Profit pro Ladung: etwa 17.000 Mark. Das Bier wird mit Diamanten bezahlt.

Auch die Ölmultis versuchen, sich mit allerlei faulen Tricks gegenseitig auszuhebeln. Jahrelang verstand sich die französische Elf Aquitaine mit der linksgerichteten MPLA-Regierung besonders gut. Aber auch Chevron sicherte sich Rechte, sie sind führend in Cabinda vertreten. Bei einer Tagesproduktion von 500.000 Barrel und Reserven von etwa zwei Milliarden Barrel bietet Angola Aussichten auf manchen Dollar in der Zukunft. Chevron hofft bei den Wahlen nun auf einen Sieg von Jonas Savimbi und seiner Unita und anschließende bevorzugte Behandlung. Die Grundlage solcher Ambitionen: Schon während der vergangenen Monate wiesen die Konzernmanager immer wieder auf die engen Kontakte zwischen dem Konkurrenten Elf Aquitaine und der MPLA-Regierung hin. Die Gerüchte, Elf Aquitaine würde Präsident Eduardo dos Santos im Wahlkampf unterstützen, wollen ebenfalls nicht verstummen— angeblich dank kräftiger Nachhilfe von Chevron.

Nach den Wahlen wird auch Südafrikas staatlicher Sasol-Konzern auf den angolanischen Ölmarkt einsteigen. Bisher freilich zeigt der Run auf Angolas unausgeschöpfte Reserven noch wenig Vorteile für die rund zehn Millionen EinwohnerInnen. Zwar möbeln ausländische Unternehmen ihre Niederlassungen an Luandas Marginale auf, an den um die Straßenecke liegenden heruntergekommenen Wohnhochhäusern mit ihrer defekten Kanalisation wird dagegen bisher nichts getan.

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