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Erich Riedl auf der Abschußrampe

■ V2-Party in Peenemünde nach heftigen Protesten abgesagt/ Raketenfreunde am Boden

Berlin (taz) — Aus der Party zum 50.Jahrestag des ersten Abschusses einer V2-Rakete in Peenemünde wird nun doch nichts. Nach heftigen Protesten sagte der Bundesverband der Deutschen Luftfahrt-, Raumfahrt- und Ausrüstungsindustrie gestern die für den 3. Oktober geplante Veranstaltung ab. Zuvor hatte bereits der Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, Erich Riedl (CSU), seine Teilnahme auf Druck von Minister Möllemann zurückgezogen. Jetzt wird sein Rücktritt gefordert.

Beim Bau der V2 wurden Zehntausende Zwangsarbeiter und KZ-Häftlinge geschunden, von denen rund 20.000 zu Tode kamen. Durch den Einsatz von mehr als 1.000 Raketen wurden in England mehrere tausend Menschen getötet. Dort war die angekündigte Jubiläumsveranstaltung am Tag der deutschen Einheit deshalb am schärfsten kritisiert worden.

Luftfahrtsverbands-Präsident Karl Dersch erklärte gestern, er bedauere sehr, „daß die bahnbrechende wissenschaftliche Leistung deutscher Raumfahrtpioniere nicht angemessen gewürdigt“ werden könne. Die Veranstaltung sei jetzt leider Gegenstand einer politischen Diskussion geworden, die den wissenschaftlichen Fakten nicht gerecht werde. Er habe aber Verständnis für die Emotionen, die offenkundig bei vielen Menschen durch die Veranstaltung geweckt würden.

Die Absage der Veranstaltung erfolgte offenbar auf Druck der Bundesregierung. Der Bundesverband der deutschen Industrie (BDI) stellte die Diskussion um die Gedenkfeier als „bedauerliches Mißverständnis“ hin. Es handele sich um eine reine Fachveranstaltung, bei der eine Pionierleistung der Raumfahrttechnik gewürdigt werde, sagte Carsten Kreklau, Mitglied der BDI-Hauptgeschäftsführung. Durch die Welle rechtsradikaler Gewalt in Deutschland sei die „Sensibilität von Bürgern und Politikern in bezug auf die Feier heute wesentlich höher als zu dem Zeitpunkt, als die Gedenkfeier geplant wurde“, sagte Kreklau weiter.

Erich Riedl geriet gestern schwer unter Druck. Die Grünen und die FDP-Politikerin Hildegard Hamm-Brücher verlangten seinen Rücktritt. Ludger Volmer von den Grünen zog eine Verbindung zwischen den Nacht für Nacht brennenden Asylbewerberheimen, der Schändung jüdischer Friedhöfe und dem Brandanschlag auf die Gedenkstätte des ehemaligen KZs Sachsenhausen bis zu dieser Peenemünder Veranstaltung. Besser könne man nicht demonstrieren, daß Ausländerhaß und Antisemitismus ihre „Entsprechung in der ,Entsorgung‘ der deutschen Geschichte finden“. Als „pietätlos“ gegenüber den Tausenden Opfern hatten Sprecher der Gedenkstätte Dora-Mittelbau bei Nordhausen die Feier verurteilt. Auch Manfred Messerschmidt vom Militärgeschichtlichen Forschungsamt in Freiburg empfahl gegenüber der taz den Rücktritt des Staatssekretärs. Regierungssprecher Vogel konnte dafür hingegen „nicht den geringsten Anlaß“ sehen.

Noch gestern morgen hatte Riedl seine Schirmherrschaft mit dem Hinweis verteidigt, die Veranstaltung sei „von Anfang an gut gemeint“ gewesen. Er wies auch die Kritik aus dem Ausland zurück. klh

Seiten 4 und 16

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