Holocaust: Denkmal oder Gedenkstätte?

■ Diskussion über ein Denkmal für die ermordeten europäischen Juden

Berlin. Im Kinosaal des Martin- Gropius-Baus fand am Montag eine Diskussion statt, die schon vor Monaten hätte geführt werden müssen. Die Stiftung »Topographie des Terrors« lud ein, um über das Pro und Contra eines Denkmals für die von Nationalsozialisten ermordeten europäischen Juden zu diskutieren. Wir erinnern uns: Ohne eine Beteiligung der Öffentlichkeit, gedrängt von einem privaten Förderkreis um die Fernsehjournalistin Lea Rosh, entschieden sich Bundesregierung und das Land Berlin, der ermordeten Juden zu gedenken. Nur ihnen und in einem Zentrum der braunen Macht, in den ehemaligen Ministergärten oder in der Nähe des einstigen Führerbunkers. Ausgegrenzt werden die ermordeten Roma und Sinti, Homosexuellen, Geisteskranken, Bibelforscher, Widerstandskämpfer. Und mehr noch: Inzwischen gibt es eine »Findungskommission«, die eine Ausschreibung vornehmen und die Teilnehmer des künstlerischen Wettbewerbs aussuchen wird. Neben Bund und Land wird auch die private Förderkommission, die unter anderem vom Daimler-Benz- Chef Edzard Reuter unterstützt wird, einen Vertreter entsenden. In der Jury, die über die zukünftige Gestaltung entscheiden soll, wird der Förderverein mit einem Drittel der Stimmen Gewicht haben. Wenn es nach ihnen gehen sollte, ist die geplante Ausschreibung überflüssig. Der Förderverein favorisiert das Konzept des Schweizer Künstlers Harald Szeemann. Er möchte oberirdisch eine Plastik setzen und unter der Erde eine Reihe von Räumen sternförmig arrangieren, zugänglich durch ein eisernes Tor, versehen mit dem Davidstern als einzigem Ornament.

Nun ist es nicht die Schuld des Fördervereins, daß die Bundesregierung sich ein halbes Jahrhundert um ein Denkmal für die Opfer der Diktatur drückte. Joachim Braun, Fernsehjournalist und Vorsitzender des Förderkreises, betonte dies während des Podiumsgespräches. Ihre Initiative habe sich nie gegen andere Opfer gerichtet, sei immer ein Engagement für die ermordeten Juden gewesen. Ein Denkmal für die Juden dürfe nicht verwechselt werden mit einem zentralen Denkmal für alle Opfer des Holocaust. Gerhard Schoenberner, Leiter der Gedenkstätte »Haus der Wannseekonferenz« widersprach. Es komme nicht auf die ehrbaren Absichten an, sondern auf die Folgen. Durch die erfolgte Entscheidung, ein nationales Denkmal nur für die Juden zu errichten, sei die Dimension des Holocaust verengt worden. »Es ist eine furchtbare Vorstellung, daß nachträglich die Toten auseinandersortiert werden.«

Die grundsätzliche Kritik formulierte Reinhard Rürup, wissenschaftlicher Leiter der »Topographie des Terrors«. Er tat es, obwohl er klarstellte, daß er die Initiative des Fördervereins für notwendig halte. Zwar halte er die Botschaft großer Denkmäler für ein Relikt des Geschichtsverständnisses des 19. Jahrhunderts, aber engagiert habe er sich, als der Eindruck entstand, daß ein Denkmal nur für die Juden alleine »anrüchig« sei. Im Gegenteil, sagte er, jetzt sei wichtig, in der Hauptstadt des vereinigten Deutschlands »Zeichen zu setzen«. Seine Kritik gelte dem Entscheidungsverfahren, dem Standort und der Struktur des Denkmals. Wer ein Denkmal für Juden fordert, sagte er an die Adresse des Fördervereins, der Bundesregierung und Berlins, »muß auch sagen, wie der anderen Opfer gedacht werden soll«. Ein Standort am Ort der Täter sei unvorstellbar, damit grenze man die nichtjüdischen Opfer erst recht aus. Heftig protestieren wollte er gegen den Versuch des Fördervereins, unter dem Stichwort »Denkmal« eine »Gedenkstätte« ins Land zu schmuggeln. »Das ist Etikettenschwindel.« Anita Kugler