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»Wir sind nicht rechtsradikal, sondern rechts«

Abendliches Gespräch mit Neonazis und Rechtsradikalen in Hohenschönhausen/ »Weil sie West-Berlin sauber bekommen wollen, schieben sie jetzt die Asylanten hierher ab«  ■ Von Plutonia Plarre

Hohenschönhausen. »Jetzt kommen die Medien plötzlich alle an — und warum?« Triumphierend blickt sich der 23jährige Maurer Martin* in der Runde seiner Kumpels um. »Weil's in Rostock gezundert hat.« »Vorher«, wendet er sich wieder der taz-Reporterin zu, »habt ihr euch doch einen Dreck für uns hier im Osten interessiert.« An dem Treffpunkt der kurzhaarigen jungen Männer — einige haben ihre Köpfe auch kahlgeschoren — in Hohenschönhausen herrscht an diesem Abend reges Kommen und Gehen. Seit die Gaststätte, in der man sich früher traf, dicht gemacht hat, findet sich die Clique im Freien inmitten einer neunstöckigen Plattenhochhaussiedlung zum abendlichen Bier ein.

Mißtrauisch und vorsichtig — »die taz dreht doch sowieso alles 28 Mal herum« — lassen sich einige auf ein Gespräch ein. Ob sie sich angesprochen fühlen, wenn in den Medien von einer rechtsextremistischen Szene in Hohenschönhausen die Rede ist? »Wir sind nicht rechtsradikal, sondern rechts eingestellt«, lautet die zurückhaltende Anwort. Ein 21jähriger Arbeiter mit akuratem Kurzhaarschnitt, olivfarbener Bomberjacke und einem kleinen Reichsadler mit Hakenkreuz am Revers verkündet: »Wir sind alle Nationalsozialisten.« — »Nicht alle« kommt aus der Runde Protest. Wie sie zu den im Bezirk lebenden Ausländern stehen? »Frag' lieber erst 'mal, wieviele von den Leuten hier Arbeit haben«, fordert einer und schiebt gleich nach: »Einer von uns sechsen hat noch Arbeit, der Rest lebt von Stütze oder Geschäften.« Er sei »wegen Polen 'rausgeflogen« und habe darum »Haß auf die«, sagt der 23jährige Maurer Martin. Vor 14 Tagen habe er sich auf dem Sozialamt gemeldet. »Da saßen außer mir noch drei Deutsche und 60 Ausländer rum. Die meisten Vietnamesen kenne ich vom Sehen, weil sie Zigaretten verkaufen. Soll ich sie vielleicht noch dafür abknutschen, daß die hier auf unserere Kosten leben und dicke Autos fahren?«

Schon zu DDR-Zeiten, berichtet der Neonazi, habe es häufig Schlägereien »mit den Schwarzbirnen« gegeben. Gegen die »ruhigen Vietschis« habe er eigentlich nichts. »Die Neger haben das Messer gezogen, aber wir wurden bestraft«, empört sich der Maurer. »Die wurden hier früher wie Götter behandelt, weil sie das Aushängeschild der DDR waren. Und heute sind sie wieder die Götter«, pflichtet ihm der Neonazi bei.

Eigentlich habe man »nur« etwas gegen die »Asylanten, vor allem gegen die Roma und Sinti«. »Erst betteln die Kinder hier an den Kiosken, dann fährt sie ihr Alter im 500 SEL Daimler weg«, erregt sich die Runde. »Und jetzt kriegen wir auch noch die Asylstelle hierher«, gibt einer der Männer das Stichwort. »Weil sie West- Berlin sauber bekommen wollen und Kreuzberg Stadtmitte wird, schieben sie die jetzt alle hierher ab«, steht für den Neonazi fest. »Die wollen dem Bezirk eins überbraten, weil hier eine Hochburg der PDS ist«, meint ein anderer. Aus der Dunkelheit stößt ein 41jähriger korpulenter Mann im Anzug dazu, der sich als Angesteller ausgibt: »Das Kroppzeug muß weg«, flucht er. »Die Meldestelle muß abgefackelt werden, bevor sie aufmacht.« Auch im großen Ausländerwohnheim »muß das Kroppzeug ausgeräuchert werden, aber das hat die Polizei vor einigen Wochen leider verhindert«, redet sich der Anwohner in Rage. »Und ich muß den Polizeischutz von meinen Steuergeldern bezahlen«, sagt's und verschwindet wieder.

Wenn er wollte, könnte er »genauso 'ne Sprüche dreschen« wie der Mann, kommentiert der Neonazi den Auftritt. Er läßt es dann aber doch lieber bleiben und erzählt statt dessen, wie er seit 1984 allmählich »Nationalsozialist« geworden sei. Aus Opposition zum DDR-System und weil ihn die »schicken deutschen Soldaten in den Kriegsfilmen so beeindruckt« hätten. »Dann habe ich die Überspielung einer Kassette von den »Toten Hosen« und den »Onkels« bekommen und erste Streitigkeiten mit Kubanern gehabt. Nach der Wende, so der 21jährige weiter, habe er die Weitlingstraße mitbesetzt und sei kurzzeitig Mitglied der »Deutschen Alternative« geworden. Deshalb sei er auch im »Antifa-Info« mit Name und Adresse »zum Töten freigegeben — bei Antreffen sofort erschlagen«. Eigentlich seien Nationalsozialimus und Sozialismus ziemlich gleich, meint er. »Bei den Jungpionieren mit den weißen Hemden und dem Enblem der aufgehenden Sonne war irgendwie auch schau Zug drin.« Warum dann Nationalsozialist? »Weil ich die Linken hasse und mich lieber daran ergötze, daß die deutschen Familien glücklich sind, statt die Neger.«

* Name von der Red. geändert

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