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Oberbaumbrücke ohne Calatrava-Pläne

■ Bauverwaltung wird bald entscheiden, ob der Entwurf von Calatrava für die Oberbaumbrücke verwendet werden kann

Berlin. Die Rekonstruktion der Oberbaumbrücke nach dem Entwurf des spanischen Architekten Santiago Calatrava ist offenbar nicht mehr zu halten. In der Bauverwaltung wird derzeit darüber beraten, ob der Entwurf nach der jüngsten Entscheidung des Hauptausschusses im Abgeordnetenhaus überhaupt noch durchgeführt werden kann. Wie der Leiter für Brückenbau in der Bauverwaltung, Johannes Lietz, gestern bestätigte, werde derzeit geprüft, ob der Calatrava-Entwurf mit den zur Verfügung gestellten 72 Millionen Mark noch realisiert werden könne. Die Entscheidung falle in zwei Wochen.

Wie berichtet, hatte der Hauptausschuß 72 Millionen für die Wiederherstellung der Brücke zwischen Friedrichshain und Kreuzberg bewilligt. Zudem wurde der Senat aufgefordert, neben der U-Bahn vier Spuren für den Kfz- Verkehr — darunter eine kombinierte Spur für Kfz- und Straßenbahn — sowie eine ausschließliche Trasse für die Straßenbahn über die Brücke zu führen. Bereits bei der Beratung im Hauptausschuß hatte Bausenator Wolfgang Nagel (SPD) darauf hingewiesen, daß bei dieser Variante der Calatrava-Entwurf zusätzliche 12 Millionen Mark benötigt.

Die Version von Calatrava war wegen seiner architektonischen Eleganz bei der Bauverwaltung auf Zustimmung gestoßen. Einziger Haken dabei: Der Entwurf sieht in seiner ursprünglichen Fassung keine Überführung der Straßenbahn vor, sondern ist lediglich für vier Kfz-Fahrspuren ausgelegt — wie ursprünglich vom Senat gewünscht.

Der neuralgische Punkt ist dabei der Mittelteil der Brücke. Nach der Sprengung 1945 steht an dieser Stelle eine starke Behelfsbrücke. Sie will Calatrava durch elegante Brückenbogen ersetzen. Für eine zusätzliche statische Belastung, wie sie jetzt durch zwei Straßenbahnlinien auftreten wird, ist der Entwurf jedoch nicht vorgesehen. Zur Verstärkung müßte eine 50 Zentimeter dicke Betonplatte über die Brücke gelegt werden. Außerdem käme noch eine »Spritzwand« zum Schutz des Fußgängerweges hinzu.

Sollte der Calatrava-Entwurf sich mit den vorhandenen 72 Millionen nicht realisieren lassen, werde an eine »ingenieurmäßige Lösung« gedacht, so Lietz. Diese werde sicherlich »uneleganter« ausfallen, aber in der vorgegebenen Summe bleiben.

CDU und SPD im Hauptausschuß ließen unterdessen wenig Interesse durchscheinen, für den Calatrava-Entwurf noch einmal zusätzliche 12 Millionen zu bewilligen.

Der SPD-Abgeordnete Joachim Niklas erklärte gestern, er sehe bei beiden Parteien »keinen Willen«, den Vorstellungen der Bauverwaltung »zu folgen«. Auch ohne den Calatrava-Entwurf werde schließlich die Oberbaumbrücke im historischen Gewand wiederhergestellt. Die CDU- Vertreterin Christa-Maria Blankenburg erklärte hingegen, nach wie vor halte die CDU am Calatrava-Entwurf fest. Allerdings sei das vorrangige Ziel, »ob die Brücke in absehbarer Zeit befahrbar ist«.

Unterdessen ließ die Verkehrsverwaltung verlauten, das Planfeststellungsverfahren für die Straßenbahnlinien auf der Brücke werde frühestens 1993 beginnen. Severin Weiland

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