Boom-Town-Kathedrale eingeweiht

■ Die Bürowüste City-Süd feiert die Eröffnung eines 300-Millionen-Mark-Monstrums / Stadt- und Verkehrsplaner sind entsetzt

feiert die Eröffnung eines 300-Millionen-Mark-Monstrums / Stadt- und Verkehrsplaner sind entsetzt

Wasserfallgleich ergießen sich Mengen von kaltblau glitzerndem Isolierglas über die von der Baubehörde vorschriebenen braun-blauen Klinkermauern. Gestern wurde das Hansa-Carree eingeweiht: Eine sechsarmige und siebengeschossige Bürokrake, 300 Millionen Mark teuer, ein Restaurant, 2000 Quadratmeter Ladenfläche, 40000 Quadratmeter Bürofläche, 650 Tiefgaragen-Stellplätze. Der neue Bürogigant im Herzen der City Süd, direkt an der S-Bahn-Station Hammerbrook, verkörpert wie kaum ein anderes Bauprojekt den Marsch Hamburgs in die Zukunft.

Der alte Arbeiter- und Gewerbestadtteil Hammerbrook, in den Bombennächten des zweiten Weltkriegs fast völlig ausgelöscht, feiert als citynahe Bürostadt eine neuzeitliche Wiederauferstehung. Ein Gutteil der 1,5 Millionen Quadratmeter neuer Hamburger Büroflächen, die bis 1995 zu einem gigantischen Überangebot führen werden, wächst hier in der City Süd.

Für die Investoren des Hanse- Carrees ist „Überangebot“ kein Thema. Kein Wunder: Sie haben das Gelände 1985 für einen Spottpreis erworben — der Wert hat sich inzwischen verfünffacht. Trotz der gewaltigen Bausumme (gut 7000 Mark pro Quadratmeter) kann die Frankfurter Gewerbebau- Beratung GmbH (GBB) mit Mieten von 32 bis 34 Mark pro Quadratmetern auskommen, liegt damit unter den heutigen City-Mieten (bis zu 58 Mark) und nahezu konkurrenzlos unter den Preisen von, zum Beispiel, Berlin (bis zu 90 Mark). Kommt es in Hamburg zum Büroimmobiliencrash, da ist die GBB sicher, müssen andere dran glauben: Investoren, die sich schäbige Altobjekte in Stadtrandlage zu überhöhten Preisen anlachten, und solche, die derart teuer bauen, daß sie Mieten von 50 bis 70 Mark erzielen müssen, um ihre Kosten zu decken.

In diese kapitale Zufriedenheit der Investoren mischt sich freilich grundsätzliche Nachdenklichkeit. Projektleiter Eckhard Lammel von der GBB: „Wir hätten uns eine Stadtplanung gewünscht, die Wohnkomplexe in die City Süd integriert. Wir hatten das leider nicht in der Hand.“ Mit winzigen Akzenten versuchten die Investoren, ihrem Projekt ein bißchen Stadtleben einzuhauchen: Die Fenster des Giganten lassen sich öffnen, auf eine Klimaanlage wurde verzichtet, Läden und Restaurant sorgen für ein Minimum an Aufenthaltsqualität.

Die Bedenken Lammels werden von Stadtplanern und Verkehrsexperten verschärft geteilt: In der City Süd wurde das letzte freiverfügbare citynahe Großgebiet stadtplanerisch verschenkt. Das Ver-

1kehrskonzept der Baubehörde sieht einen gigantischen Zuwachs des Autoverkehrs voraus, dem man mit dem Ausbau einiger Kreuzungen vorauseilenden Gehorsam leisten will. In der City Süd wird derzeit ein Vielfaches jener Verkehrsprobleme erzeugt, welche eine konsequente Verkehrsberuhigung der In-

1nenstadt lösen könnte.

Eine letzte winzige Hoffnung für die City Süd bleibt: Im Süden, an der Elbe, gibt es durch die Verlagerung des Huckepackbahnhofs freie Flächen, überm Wasser winken die Inseln Kaltehofe und Grasbrook. Der unbequeme und kreative Stadtplaner des Bezirks Mitte, Peter Il-

1lies, hat mit einer Crew aus Architekten, Wissenschaftlern und Behördenmenschen bereits ein wohnintensives Stadtentwicklungskonzept für die City Süd Richtung Süden angedacht. In der praktischen Planung der Stadt spielt es bislang allerdings überhaupt keine Rolle. Florian Marten