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Nichtschwimmer versenkt

■ „Die architektonische Kultur geht baden“, taz vom 26.9.

Das kann so nicht stehenbleiben. Mit der Abschaffung des Aufbaustudienganges Architektur geht die architektonische Kultur nicht baden — sie war schon lange NichtschwimmerIn und ist längst untergegangen!

Und zwar genau in dem gleichen Sumpf von Bremer Seilschaften mit politischer und fachlicher Ignoranz, in dem der Aufbaustudiengang seinerzeit hochgepäppelt wurde und dem die Stadt so „schöne“ Dinge wie z.B. die biedere und ziemlich einfältige Bebauung des Teerhofs oder nun auch noch die allerletzten post-provinziellen Albernheiten auf der Bürgerweide zu verdanken hat. Ischa Freimaakt! Das Spektrum der Mißgriffe und Gemeinheiten in Bremen ist groß — meines Wissens hat der Aufbaustudiengang dazu leider nie öffentlich Stellung genommen und nie wirklich ernstzunehmende Alternativen aufgezeigt.

Bevor die Geschichte aber ganz umgeschrieben und nun ein neuer Anfang gemacht wird, muß noch einmal daran erinnert werden: Nach langen Diskussionen — und trotz anderer Zielsetzungen des Hochschulgesetzes und seiner Bestimmungen, entgegen dem Rat der Berufsverbände und trotz der EG-Bestimmungen, die für die Zulassung als Architekt in Europa ein mindestens achtsemestriges technisch-künstlerisches Studium voraussetzen — wurde an der Kunsthochschule seinerzeit der Studiengang Architektur als berufsqualifizierender Studiengang geschlossen und dafür ein sechssemestriges Architekturstudium an der ehemaligen Hochschule für Technik etabliert.

Technik und Kunst, Berufsqualifikation und Weiterbildung sollten und konnten damals in der Neustadt zusammengefügt werden, aber — rette sich wer kann — schnell waren alle ehemaligen Architekturprofessoren der Hochschule für Kunst und Musik wieder unter sich und betreuten einen Aufbaustudiengang in weiter Ferne.

Da wurden dann ein paar ausgewählte Absolventen der Fachhochschule betreut, da war nix mit Überdieschulterschauen und nix mit „Gesamtschule“, da mußte neu investiert werden. Die Ausstattung des Fachbereichs Architektur der Hochschule verfiel unterdessen — der hatte und hat jährlich über 200 StudienbewerberInnen aufzunehmen, die mit ihrem Abschluß einer ungewissen Zukunft entgegengehen. Unser Dorf soll schöner werden?

An der Hochschule Bremen soll man und frau in sechs Semestern alle die sozialen, gestalterischen, technischen und wirtschaftlichen Aspekte lernen, die Architektur ausmachen, während z.B. die Modedesigner an der Hochschule für Kunst und Musik für ihre — gegenüber der langlebigen Architektur wohl eher ephemeren Aufgaben — volle acht Semester studieren.

Fenster- und GebäudereinigerInnen benötigen für ihre Berufsausbildung auch drei Jahre — und arbeiten von morgens um 7 Uhr fünf Tage die Woche voll durch...Diplom-IngenieurInnen, die später die Stadt gestalten und Gebäude errichten sollen, die uns alle zu Betroffenen machen und unser Leben lenken, lernen ihren Job in der selben Zeit?

Deshalb sei hier kurz nachgefragt und nachgehakt: Ist die Abschaffung des Aufbaustudienganges Architektur in unserer Stadt und das daraus hoffentlich resultierende bessere und breitere Lehrangebot an der Hochschule Bremen für alle „normalen“ StudentInnen des Fachbereichs Architektur nicht eher eine Chance für eine bessere Zukunft, für mehr „Baukultur“ in unserer Stadt? Die könnte es (s.o.) wirklich gebrauchen!

Prof. Klaus A. E. Kammerer

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