: Rechter Angriff auf das Parlament
■ Parteien verurteilen den rechtsextremen Telefonterror, der zum Rücktritt eines BVV-Verordneten in Neukölln führte
Berlin. Allgemeine Bestürzung hat bei den Parteien im Abgeordnetenhaus die Mandatsniederlegung des iranischen Bezirksverordneten K. ausgelöst, der in den letzten Tagen wiederholt Todesdrohungen von Rechtsextremisten am Telefon erhalten hatte (siehe taz von gestern).
Der parlamentarische Geschäftsführer der SPD, Helmut Fechner, bezeichnete die Anrufe, die zum Rücktritt von K. geführt haben, als »einen direkten Angriff auf den Rechtsstaat«.
Im Zusammenhang mit dem jüngsten Brandanschlag auf die KZ-Gedenkstätte in Sachsenhausen forderte er für den 9. November in Berlin eine »deutliche Willenserklärung aller Demokraten für eine wehrhafte Demokratie gegen Rechts«. Seine Partei werde sich in Bonn um einen Konsens mit den anderen Parteien bemühen, um eine »machtvolle Demonstration« zu organisieren. Sein Amtskollege Volker Liepelt von der CDU nannte den psychischen Terror gegen K. ein »Zeichen dafür, daß vorhandene oder vorgebliche gesellschaftliche Mißstände als Alibi genommen werden, um gegen Andersdenkende aggressiv vorzugehen«. Dagegen müsse die »Solidarität über die Parteigrenzen hinweg« stehen. Als »atemberaubend« bezeichnete der stellvertretende Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/AL Wolfgang Wieland das Tempo, mit dem sich derzeit die rechtsextremistischen Übergriffe häuften.
Was befürchtet worden sei, werde am Beispiel von K. nun deutlich: »Nach den Brandanschlägen auf Heime und jüdische Gedenkstätten sind die politischen Parteien dran.«
Scharfe Worte gegen die CDU fand die PDS-Fraktionsvorsitzende Gesine Lötzsch. Mit dem Angriffen gegen K. gehe die Saat aus vergangenen Wahlkampfslogans der CDU gegen Ausländer auf. Die FDP-Landesvorsitzende Carola von Braun forderte dazu auf, Überlegungen anzustellen, wie zukünftig ausländische Abgeordnete »besser geschützt werden«. Es könne nicht angehen, daß ein Mandatsträger durch Drohungen zum Rücktritt gezwungen werde — dies berühre »direkt die Funktionsweise der parlamentarischen Demokratie«.
Der Bürgermeister von Neukölln, Hans-Dieter Mey (SPD), erklärte gestern, K. habe ihm gegenüber noch einmal versichert, bei seinem Rücktritt zu bleiben. Die Sicherheit seiner Familie habe eindeutigen Vorrang.
Nach Meys Angaben hat sich mit dem Einzug der rechtsextremen »Republikaner« die Situation in der BVV verschärft. Es sei nicht zu leugnen, daß seitdem anonyme Drohungen gegen Verordnete begonnen hätten — »von wem auch immer«. Severin Weiland
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