Somnamboulevard — Sex im Schlaf Von Micky Remann

So wie sich Parallelen im Unendlichen schneiden, so verschmelzen Traum und Fleisch im Sex, und es laufen, was sonst nicht der Fall ist, somnambule und physische Erlebnislinien in ein und demselben Punkt zusammen.

Wenn Du im Traum einen Berg erklimmst, rühren sich Deine Muskeln kein bißchen (obwohl Forschungen beweisen, daß Du danach durchaus mit Muskelkater aufwachen kannst). Wenn Du aber träumend im Land Deiner Lüste in den allerprallsten Kopulationen schwelgst (dies ist ebenfalls erwiesen), hat das Folgen aufs körperliche Geschehen unter Deiner Bettdecke.

Erigierte Penisse und verstärkte Vaginalflüsse im Schlaf beweisen, daß es einen ontologischen Unterschied zwischen Frau und Traumfrau beziehungsweise zwischen Mann und Traummann nicht gibt. Die Geschlechtsorgane sind nämlich großzügig genug, daß es ihnen völlig egal ist, ob die erotischen Reize nun in der Außenwelt oder in der Innenwelt liegen und ob sich die Sinnlichkeit auf die Traum- oder die Wachwelt bezieht. Real ist, was erregt, Punkt.

Und die Pionierforscherin Patricia Garfield berichtet, daß zwei Drittel ihrer luziden Träume sexuellen Inhalts waren und etwa die Hälfte davon in einem Traumorgasmus von äußerster Intensität gipfelten. „Mit einer Totalität des Selbst, wie man sie im Wachzustand nur selten empfindet“, fühlte sie Körper und Seele explodieren.

Eine routinierte Klarträumerin aus Stephen LaBerges Traumlabor in Standford erklärt sich sogar zu einem wissenschaftlichen Experiment in Sachen Dreamsex bereit.

Gähnend, aber mit allerlei Meßgeräten und Fahrtenschreibern am Unterleib, versprach sie, im nächsten luziden Traum bewußt ein sexuelles Abenteuer einzubauen. Dann schlief sie im Labor ein. Nachdem sie — im Klartraum — erwachte, erinnerte sie sich des Vorhabens, schwebte ab durch die Wand und frei wie eine Wolke durch die kühle Abendluft, bis sie auf dem Campus neben einer Gruppe von Herren landete. Dem attraktivsten tippte sie gleich munter auf die Schulter, worauf der sich ihr zuwandte, als wisse er schon, was sie von ihm begehrte. Das Fliegen hatte sie so erregt, daß sie mit ihrem Partner — wohl wissend, daß er geträumt war — alsbald von den Wellen und Wogen eines real existierenden Orgasmus davongeschwemmt wurde. In der parallelen Wachwelt des Schlaflabors wurden bei der Träumerin in ihrem Einzelbett derweil in punkto Respirationsrate, Aktivität der Vaginalmuskeln sowie des vaginalen Blutstroms Höchstwerte gemessen. Fazit: ein geträumter Akt ist genauso echt wie ein echter.

Einige hier auf dem Somnamboulevard wollen daraus gleich den „partnerfreien Partnertausch“ entwickeln, als Ausweg aus dem Dilemma von freier Liebe, Safer Sex und Eifersucht. Andere betonen, daß auch Traumphantome aus Menschenrecht und Beziehungskisten bestehen wie Du und ich, somit der Geschlechtsverkehr mit ihnen ethischen Regeln unterworfen sei. Daß aber Cybersex im Schlaf Zukunft hat, darüber sind sich alle einig.