Wolf und seine Schachteln Von Michaela Schießl

Einsam streicht der scharfe Wolf durch die Großstadt. Schon acht Kneipen, und noch immer keine Beute. Und das, wo er die Jeans mit der Nummer trägt und den Gesichtsausdruck mit dem Loch unterm Knie. Doch die Beute scheint restistent. „Oh“, jammert er unlucky, „what a night.“ Müde schwankt er zum Zigarettenautomaten und zieht die weiße Schachtel mit dem roten Punkt. Sonst nichts. Den Rest kennen wir. Jedes Werbetotem des Landes vermeldete den umwerfenden Erfolg von Wolf und seinen Schachteln. Frauennamen samt Telefonnummern, Verabredungen zum Frühstück bei Petra und zur Preview im Cinema sind auf der Zigarettenschachtel verewigt, und die EG-Gesundheitsminister hat er auch getroffen. Doch das allerschärfste: Das weiß-rote Corpus delicti sieht mitgenommen aus, verschwitzt und verkrumpelt. Und wir ahnen: Diese Nacht muß toll gewesen sein. Mit Susi. Katrin. Anne. Sabine. Aber halt: Wir haben ja die Nummern! Ab zum Telefon, Susi anrufen. Doch Susi, so säuselt der Anrufbeantworter, ist in Hamburg, die „Oh-what- a-night-Party vorbereiten“. Mist. Also Anne. Das Luder nimmt nicht ab. Aber Katrin. „Hallo, hier ist, hahaha, nur der Anrufbeantworter von Katrin. Eine Nachricht für Petra: Wegen der Party, das können wir beim Frühstück besprechen.“ Ansonsten kannst du mich bei Sabine erreichen.“

Sabine! Die will aber nicht zurückrufen, sagt ihr Telefonsklave, weil sie so beschäftigt ist mit der Partyvorbereitung. Aber eine Einladung gibt's, wenn man Name und Adresse aufs Band spricht. Und das Geburtsdatum, da hat sich nämlich Anne was Besonderes ausgedacht. Anne? Kein Zweifel mehr: Die Mädels kennen sich. Wolf, der Dummkopf, ist auf eine professionelle Promotion-Crew hereingefallen. Von Susi bis Sabine, allesamt Lucky- Hostessen. „Aber keineswegs“, feixt Markus Salzmann von der Hamburger Werbeagentur GmbH Knopf, Nägeli & Schnakenberg. Die sind alle frei erfunden und gehören zum perfekten Konzept. Die Stimmen sind natürlich von Profis. Und die Party gibt es wirklich, im Dezember in Hamburg. Für alle, die schamlos angerufen haben. Zu dumm nur, daß es hauptsächlich Männer sind, wegen der Frauennamen. Aber das ist nun mal die Zielgruppe: männliche, intelligente Opinion-Leader der Großstadt samt Anhang, die nicht mehr an den Marlboro-Cowboy glauben. Klar, manche Anrufe sind obszön und vulgär, deshalb die Anrufbeantworter. Ursprünglich waren das Privatanschlüsse von Agenturangestellten, weil wir niemals geglaubt hätten, daß da jemand anruft. Eine Hosteß allerdings wird fehlen. Das ehemalige Lucky-Strike-Covergirl Janet Sackman. Die ist nämlich unlucky, berichtete sie am Mittwoch vor der Bundesvereinigung für Gesundheit in Bonn. Ein Produktmanager hatte ihr einst nahegelegt, das Rauchen anzufangen, damit die Werbung authentischer wirke. 30 Jahre lang rauchte sie 60 Luckys täglich. Nun fehlen ihr höchst echt der Kehlkopf und ein Lungenflügel. Ihren Appell kann sie nur noch per Mikrofon krächzen: weltweites Verbot jeglicher Zigarettenreklame. Mit ihr kämpft die Witwe des am 21.Juli '92 qualvoll an Lungenkrebs verstorbenen Marlboro-Mans. Oh, what a fight!