: Vom Ring zur Schleife: Modell für Hamburg ?
■ Rückbau des Harburger Rings fast fertig / Ab heute geht's in beide Richtungen / Verkehrsreduzierung um 90 Prozent
fast fertig / Ab heute geht's in beide Richtungen / Verkehrsreduzierung um 90 Prozent
Für 5 Minuten wird der Harburger Ring heute zur Geisterstraße. Ab 18.55 Uhr stehen alle Räder auf der Harburger Hauptverkehrsader still, weil die Baubehörde es so will. Um 19 Uhr rollt der Autotroß wieder; ab dann in beide Fahrtrichtungen. Vorläufiger Abschluß des bislang weitgehendsten und mit 16 Millionen Mark Kosten teuersten Rückbaus einer Hamburger Asphaltpiste.
Das Ende einer Fehlplanung: In den siebziger Jahren wurde der Ring gebaut, um den Verkehr an der neuen Fußgängerzone rund um die Lüneburger Straße vorbeizuleiten. Doch die dreispurige Einbahnstraße, die den Kernbereich entlasten sollte, mutierte zur Rennbahn für den Durchgangsverkehr, durch die täglich fast 30000 Autos brausen. Da sich die Harburger City wie eine Krake über den Ring hinaus nach Nordosten ausdehnte, wurde die Entlastungsstraße zur Stadt-Schneise und für viele Fußgänger auch zur Falle. „Die Straße mit den meisten Verkehrstoten südlich der Elbe“, klagt Harburgs Bezirkschef Michael Ulrich.
Seit Juli letzten Jahres ging es dem Ring an den Asphalt. Die City- Rennstrecke wurde fast in allen Bereichen auf eine Fahrspur pro Richtung verengt, Radwege geschaffen, über 100 neue Bäume gepflanzt. Kern der neuen Verkehrskonzeption ist die sogenannte Schleifenlösung. Die gerade in den Ring eingebogenen Autofahrer werden durch die neue Verkehrsführung gezwungen, bereits in eine der nächsten Seitenstraßen einzubiegen, den Ring nach wenigen hundert Metern zu verlassen. Der Durchgangsverkehr soll so auf die Buxtehuder Straße (B 73) abgeleitet werden.
Die Verkehrsplaner rechnen damit, daß sich das PKW-Aufkommen auf dem Ring drastisch verringern wird. Ulrich: „Zwischen der Wilsdorfer Straße und dem Schloßmühlendamm soll der Verkehr von heute 29000 auf dann 2700 Fahrzeuge pro Tag sinken. Für die anderen Ringglieder rechnet der Bezirksamtsleiter mit einer Verkehrsabnahme „um 50 bis 60 Prozent“.
Der Einkaufsverkehr aus dem Umland soll allerdings durch die Ringverengung „nicht vergrault“ werden, betont Ulrich. Deshalb wird in Harburg ein neues Parkhausleitsystem installiert, wie es bislang nur in Köln und Stuttgart existiert. Elektronische Tafeln an allen Verkehrsknotenpunkten zei-
1gen den Harburg-Besuchern an, in welchem der vier Parkhäuser sie noch einen freien Platz finden. Um hier Engpässe zu vermeiden, sollen in den kommenden Jahren drei wei-
1tere Parkhäuser mit 2000 Stellplätzen im City-Bereich entstehen.
Für den Bezirksfürsten Michael Ulrich könnte der Harburger Straßenrückbau einen „Modellcharakter
1auch für die Hamburger Innenstadt“ haben. Ulrich: „Nur durch vergleichbare Lösungen läßt sich der Verkehrsinfarkt in der City stoppen“. Marco Carini
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