: „Erpressung: kalt oder gar nicht“
■ Junkie nicht aufgenommen: AK Drogenpolitik will gegen das Krankenhaus Ost klagen
Einen Junkie mit offenen Abszessen am Körper wollte der Arbeitskreis Kommunale Drogenpolitik auf der chirurgischen Station des Zentralkrankenhauses Ost unterbringen. Voraussetzung: Der Drogensüchtige muß während der Behandlung Methadon erhalten. Den Einlieferungsschein des Arztes hatte der Junkie in der Tasche, doch die Mitarbeiterin des Arbeitskreises Kommunale Drogenpolitik, Bettina Kerkau, die ihn begleitete, erhielt eine Absage: „Die meinten, wie ich mir das vorstelle, ein Krankenhaus sei kein Hotel.“ Begründung: Die Wunden des Patienten seien alt. Statt einer Einlieferung des Patienten in die chirurgische Abteilung habe man ihm empfohlen, einen kalten Entzug in Sebaldsbrück zu machen, berichtet Bettina Kerkau. „Aber das hält er in seinem jetzigen körperlichen Zustand nicht durch. Für mich ist das Erpressung: Entweder kalter Entzug oder gar nichts.“
Daß einige Wunden des Junkies alt waren, war auch den Mitarbeiterinnen des AK Drogenpolitik klar. Die könnten jedoch nicht heilen, weil er seit Monaten obdachlos und sein körperlicher Zustand sehr schlecht sei, sagt Klaus Hammer vom AK Drogenpolitik. Im Krankenhaus Ost habe man es versucht, weil der AK Drogenpolitk wußte, daß dort noch Betten frei waren. Weil der Junkie sich nicht auf den kalten Entzug einlassen wollte, hätte er unterschreiben sollen, daß er auf eigene Verantwortung geht. In der Chirurgie des ZK Ost seien der Fall kein Einzelfall. Der AK habe schon öfter Probleme gehabt, Junkies mit Polamidon-Behandlung in Kliniken unterzubringen. Manche Stationen ließen die Junkies stundenlang warten, „weil sie wissen, die werden irgendwann affig und hauen ab“, sagt Klaus Hammer. „Da frage ich mich, wie lebensbedrohlich krank muß jemand sein, damit er aufgenommen wird?“
„Der Patient ist unterernährt“, bestätigt die Ärztin Ilse Wick- Dammann von der chirurgischen Abteilung der St.-Jürgen-Klinik, in der der Patient schließlich ein Bett fand. „Weil er in einem Umfeld lebt, in dem sich sein Zustand sicherlich nicht bessert, haben wir entschieden, ihn aufzunehmen. Für mich ist dieser junge Mann pflegebedürftig wie ein Kind. Aber ich kann auch verstehen, wenn andere sagen: Wir sind kein Obdachlosenasyl. Ob man so einen Patienten aufnimmt oder nicht, ist eine politische Entscheidung. Unsere Politik ist, niemanden abzuweisen, der eine ärztliche Einweisung hat.“ Vorausgesetzt, im Krankenhaus sind noch Betten frei.
Das St.-Jürgen-Krankenhaus war 1988 die erste Klinik, die Methadon an drogensüchtige Patienten ausgab, als es gesetzlich erlaubt war.
Die Sprecherin der Gesundheitssenatorin, Andrea Frenzel- Heiduk, gibt für das Zentral-Krankenhauses Ost eine einfache Erklärung: „Das ist eine ärztliche Entscheidung, es herrscht Therapiefreiheit.“ Sie bemühe sich um eine Stellungnahme der Klinik. Gegen diese ärztliche Entscheidung will der Arbeitskreis Kommunale Drogenpolitik jetzt klagen: „Ein Fall von unterlassener Hilfeleistung.“
Diemut Roether
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