: Kirche: Die Asyldebatte fördert den »Flächenbrand« gegen Fremde
■ Hanns Thomä-Venske, Ausländerbauftragter der evangelischen Kirche, kritisiert Debatte über Asylrecht
Berlin. Die in Deutschland geführte Diskussion über das Asylrecht fördert nach Auffassung des Ausländerbeauftragten der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg, Hanns Thomä-Venske, den »Flächenbrand« rechter Gewalt gegen Fremde. Politiker, die die Abschaffung des Grundrechtes auf Asyl für politisch Verfolgte forderten und damit vorgäben, einen Beitrag zur Lösung des Flüchtlingsproblems zu leisten, lieferten »die mentale Legitimation« für Ausschreitungen und Anschläge, kritisierte Thomä-Venske.
Leider stimmten Gewalttäter, eine breite Masse der Bevölkerung und viele Politiker parteiübergreifend in der Auffassung überein, es gebe zu viele Ausländer in der Bundesrepublik. Deshalb hätten Übergriffe auf Asylbewerber, Gastarbeiter und jüdische Einrichtungen so offen ausbrechen können, meinte Thomä-Venske. Die staatliche Reaktion auf rechtsextreme Gewaltakte sei im Vergleich zu den Reaktionen auf Anschläge linker Gruppen »schlapp und unentschieden«.
Die Gesellschaft werde auf diese Weise »von ihren Grundwerten her« ausgehöhlt, warnte der 41jährige, der seit 1984 kirchlicher Beauftragter für Ausländerfragen ist. Heute sei es kein »Skandal« mehr, wenn ein führender SPD- Politiker die Abschaffung des Artikels 16 wolle und behaupte, damit das Asylproblem lösen zu können.
Das Problem müsse aber als vielschichtig erkannt und nach dem Motto »Flüchtlinge schützen, Fluchtursachen bekämpfen« behandelt werden, sagte Thomä- Venske. Die Kirche stehe entschieden auf der Seite der Verfolgten, Notleidenden und Angegriffenen und versuche positive Vorbilder von Integration und Nachbarschaft zu geben. Thomä-Venske zeigte sich sehr skeptisch, ob wieder »Vernunft« in die Debatte komme.
Es könne auch niemand die Flüchtlingsströme nach Deutschland aufhalten, indem das Recht auf politisches Asyl der Kontrolle von Regierungen unterworfen werde. Wenn die Aufnahme von Flüchtlingen außen-, wirtschaftspolitischen oder anderen Interessen des Staates geopfert würde, sei dies nicht mehr ein Gebot von Humanität. Die Probleme würden eher durch die bestehenden Gesetze verursacht, nach denen jeder — auch Kriegsflüchtlinge — »in das Asylverfahren gedrängt« werde, urteilte der Kirchenmann.
In dieser Hinsicht habe der Berliner Senat »vernünftig« gehandelt, indem er auf eigene Kosten Hunderten von Flüchtlingen aus dem ehemaligen Jugoslawien unbürokratisch half. Ohne ein Asylverfahren anstrengen zu müssen, hätten die Bürgerkriegsopfer eine Duldung erhalten, so daß Kosten für Asylverfahren eingespart und sinnlose Wege zu Ämtern vermieden wurden. dpa
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