■ Gastkommentar : Die deutschen Demokraten müssen sich zu einer antirassistischen Bewegung zusammenschließen
: Menetekel an der Wand

Pogrome gegen Ausländer, gegen Asylsuchende sind in Deutschland schon alltäglich geworden. Das schreckliche Wort „Pogrom“ hat wieder seinen festen Platz im Wörterbuch der deutschen Sprache. Traurig, sehr traurig. Auf den Bildschirmen können wir die Neonazis beobachten, wie sie ungehindert von der Straße Besitz ergreifen, geschützt von der Polizei, die Hand zum Hitlergruß erhoben.

Der Hauch des blinden Hasses droht uns, die Überlebenden der Gaskammern, zu ersticken, uns, die wir vergessen wollten, um der gemeinsamen Zukunft willen!

Die aus den Häusern der Asylsuchenden und aus der Baracke Sachsenhausens schlagenden Flammen sprechen eine klare Sprache. Sie sind Beweis dafür, daß es nicht um den Artikel 16 des Grundgesetzes geht, sondern um die schiere Existenz der Demokratie, um die Möglichkeit menschlichen Zusammenlebens in diesem Land. Heute sind die Ausländer das Opfer ... und morgen? Dieser Satz wurde in der deutschen Geschichte schon einmal gesagt, und seine Folgen wurden schon einmal erlitten. Was wir heute sehen, ist nicht weniger als ein Menetekel, und als solches muß es begriffen werden.

Die Tausende, die jetzt protestieren, sind ein Lichtstrahl. Aber sie sind nicht einig genug, nicht explizit genug angesichts der Kraftlosigkeit der Regierenden und der Justiz, angesichts der akuten Gefahr, daß der Schrecken banalisiert und verharmlost wird.

Ich unterstütze deshalb den Plan einer großen Demonstration, die am 7. November in Berlin stattfinden soll, dies in der Hoffnung, daß andere Orte folgen werden. Wir befinden uns mitten in einer Notstandssituation, und eine antirassistische Bewegung in Deutschland ist eine absolute Notwendigkeit. Diejenigen, die gemeinsam demonstrieren werden, werden sicher in vielen Fragen gespalten sein. Aber sie werden vereint sein in der einzig wesentlichen: der Rettung der Demokratie und der Möglichkeit menschlichen Zusammenlebens. Felicia Langer

Die Autorin ist Rechtsanwältin und verteidigte 23 Jahre lang PalästinenserInnen in Israel. Sie lebt heute in Tübingen