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»Die Zeit läuft uns einfach davon«

■ Aids-Krankenpflege für Schwule: HIV e.V. besteht seit fünf Jahren/ Verdoppelung der Kapazitäten dringend notwendig

Berlin. »Mein größter Wunsch wäre es, nicht mehr drei bis vier Patienten täglich ablehnen zu müssen«, erzählt Bernd Vielhaber mit leicht belegter Stimme. Vielhaber ist Vorstandsmitglied und Sprecher von HIV e.V., einem Verein, der sich auf die Hauskrankenpflege schwuler Aids-Patienten spezialisiert hat. Vor fünf Jahren war dieses Projekt zunächst auf ehrenamtlicher Basis entstanden. Inzwischen hat sich HIV e.V. mit etwa 17 hauptamtlichen Mitarbeitern etabliert.

Die Krankenkassen übernehmen inzwischen mehr als zwei Drittel der Kosten für Infusionstherapie und 24-Stunden-Pflege. Weitere 246.000 Mark kommen als Zuschuß von der Senatsverwaltung für Soziales. »Ohne Selbstausbeutung wäre HIV e.V. aber noch immer nicht überlebensfähig«, erklärt Vielhaber.

Unzufrieden sei man auch mit der gesamten Versorgungslage. Bei mehr als 20.000 HIV-Infizierten in Berlin habe HIV e.V. in den vergangenen fünf Jahren lediglich 198 Patienten pflegen können. Vor diesem Hintergrund fordert Vielhaber »mindestens eine Verdoppelung unserer Kapazitäten«.

Doch diese Zahlen können nicht erklären, mit welchen Problemen die Mitarbeiter täglich konfrontiert werden. Diskriminierung, Isolation, Verlust der Sexualität, Schuldgefühle und Todesangst gehören ebenso zum »Krankheitsbild« von Aids wie etwa eine Lungenentzündung. »Wir müssen uns für die Patienten viel Zeit nehmen«, sagt Stefan Cremer, der für psychologische Begleitung zuständig ist. Fast drei Viertel der Patienten hätten Suizidgedanken, vor allem aus Angst vor unerträglichen Schmerzen.

Ein anderes Problem sei die zunehmende Zahl neurologischer Erkrankungen, die sich zunächst durch Konzentrationsschwächen bemerkbar machen. Das Ziel von HIV e.V. sei es, dem Patienten so lange wie möglich eine selbständige Lebensführung in gewohnter Umgebung zu ermöglichen. Häufig führten solche Hirnschädigungen zu völligem Orientierungs- und Persönlichkeitsverlust. Dann sei auch der Gang zur Toilette nur noch mit fremder Hilfe möglich.

Um die materiellen Sorgen ihrer Patienten kümmert sich dagegen die Sozialpädagogin Renate König: Befreiung von Telefon- und Rundfunkgebühren, Hilfe beim Formularkrieg und viele, viele Behördengänge gehören zu ihrem Tagesablauf. Renate König ist dabei genauso ungeduldig wie ihre Patienten: »Denn was wir nicht haben, das ist Zeit!« Doch die Bürokraten lassen sich meistens Zeit. So werde ein Schwerstbehindertenausweis manchmal erst nach der Beerdigung zugestellt.

Um Aids-Patienten in Berlin das Leben etwas einfacher zu machen, plant HIV e.V. jetzt ein sogenanntes Lighthouse. Darin sollen neben Wohnraum für HIV-Infizierte auch zahlreiche kulturelle Angebote, vom Cafe bis zum Theater, einen Raum finden. Man wolle damit eine lebendige Begegnungsstätte für Infizierte und Nichtinfizierte anbieten. mck

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