piwik no script img

Auf der Suche nach Selbstverständlichkeit

■ Die Berliner Lesbenwoche diskutierte über die Berichterstattung der Zukunft

„Ich will, daß die ,Sportschau‘ selbstverständlich auch über lesbische Fußballteams berichtet“, forderte eine Frau aus dem Publikum. „Das liegt nur daran, daß die lesbischen Mannschaften noch nicht in der Bundesliga spielen“, tröstete Klaudia Brunst, taz-Kulturredakteurin und Moderatorin der Podiumsdiskussion mit lesbischen Journalistinnen.

Doch soweit ist es noch nicht. Zwar nimmt die Zahl der Berichte über Lesben quantitativ zu: Hella von Sinnen prangt auf dem Stern- Titelblatt, und die Homo-Ehe füllt das Sommerloch. Doch ist diese Art von Medienpräsenz das, was Lesben wollen? Oder werden hier neue Vorurteile geprägt? Fragen, die über 240 Besucherinnen zu dieser Veranstaltung der 8.Berliner Lesbenwoche angelockt hatten.

„In der Zeit kann ich nicht über die Lesbenwoche schreiben, es sei denn, ich berichte über den SM- Workshop, aber ich will dem pensionierten Oberstudienrat in Bad Nauheim, und das ist der durchschnittliche Zeit-Leser, ja keine Wichsvorlage liefern“, stellte Viola Roggenkamp fest und fragte: „Sind wir vielleicht eine Bedrohung und sollen deshalb nicht zugelassen werden?“

Aufgezwungene Debatte über die Homo-Ehe

Das Thema Homo-Ehe ist auch deshalb so medienwirksam, weil es suggeriert: Die sind gar nicht so anders; diese sympathischen Schwulen, die sich händchenhaltend auf dem Designersofa filmen lassen, sind auch nur dem Traum vom Mann fürs Leben aufgesessen. „Das ist eine Debatte, die wir uns haben aufzwingen lassen“, kritisierte die frühere taz-Frauenredakteurin Ulrike Helwerth. Wie stark können lesbische Journalistinnen Themen selbst vorgeben? Annette von Zitzewitz und Christina Karstädt versuchten vergeblich, beim öffentlich-rechtlichen Fernsehen finanzielle Unterstützung für ihren Film über DDR- Lesben zu bekommen. „Sie können einen Dokumentarfilm über Schwule und Lesben machen, aber höchstens 45 Minuten lang, und kommen Sie mir bloß nicht mit einem Lesbenfilm“, bekamen sie von einem Redakteur zu hören — und verzichteten. Sie drehten „...viel zuviel verschwiegen“ ohne Fernsehgelder.

„Jahrelang ging es in erster Linie darum, zu sagen, es gibt uns, das genügt jetzt nicht mehr“, meinte die frühere Courage-Redakteurin Sabine Zurmühl, die als Freie für WDR, NDR und Südwestfunk arbeitet. Jetzt gehe es darum, daß über Lesben ganz selbstverständlich berichtet werde, daß lesbisches Leben nicht immer nur unter dem Blickwinkel des Problematischen betrachtet werde. „Wenn ich ein Mietshaus porträtiere, kann ich zum Beispiel deutlich machen, daß da nicht nur Heteros leben.“

Zurmühl plädierte dafür, egal bei welchem Thema, auch Lesben heranzuziehen, die damit zu tun haben. Daß das manchmal nicht so einfach ist, erlebte sie, als sie zum Thema Koedukation auch lesbische Lehrerinnen befragte, die sich dafür einsetzen. „Aber ich sag' natürlich nicht, daß sie lesbisch sind, weil ich eine Entwertung fürchte.“

Inge von Bönninghaus, Redakteurin der WDR-Frauensendung „Frauenfragen“, löste mit ihrem Vorschlag, nach längerer Zeit wieder eine Lesbensendung zu machen, unter den Kolleginnen Widerspruch aus. Einige waren dagegen, weil Lesben damit wieder separiert würden, und forderten, daß sie überall vorkommen müßten. Ihre eigene Erfahrung faßt Bönninghaus so zusammen: „Auch da, wo ich Lesbisches nicht explizit erwähne, fließt offensichtlich doch etwas von meiner Haltung ein.“ In ihren Sendungen würden nie Männer angegriffen, so die Kritik von Männern. „Es ist viel schlimmer für sie, daß sie gar nicht vorkommen.“

Viola Roggenkamp versucht Lesben, über die sie in einem ganz anderen Zusammenhang berichtet, davon zu überzeugen, wie wichtig es sei, sich als Lesbe zu erkennen zu geben. Gegenwärtig arbeitet sie für die Zeit an einer Reportage über Mütter und ihre lesbischen Töchter. Ein Trauerstück soll es nicht werden. Viola Roggenkamps Credo: „Lesbisch sein ist schön, und ich hoffe, das kommt in meinen Berichten auch so rüber.“ Dorothee Winden

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen