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Serbischer Durchbruch in Bosnien

■ Kroatische Truppen mußten sich aus strategischer Grenzstadt Bosanski Brod zurückziehen

Berlin (taz) — Die bosnische Grenzstadt Bosanski Brod ist gefallen. Serbische Kampfflugzeuge haben die Erdölraffinerie in Brand gesetzt. Alle zentralen Gebäude der ehemaligen Industriestadt — Rathaus, Polizeistationen, Krankenhäuser— sind zerstört. Mit der Einnahme der Stadt an der Save haben die serbischen Verbände einen strategischen Vorteil errungen, der ihnen die Eroberung des umliegenden Tieflands und den Waffennachschub in serbisch besetzte Gebiete in Nordbosnien und Kroatien ermöglicht.

Augenzeugenberichten zufolge zogen sich die kroatischen Verteidiger der Stadt am späten Dienstag abend nach heftigen Straßenkämpfen über die Brücke in die kroatische Nachbarstadt Slavonski Brod zurück. Die überraschende Aufgabe der Stadt nährte Spekulationen über einen Deal: Geflüchtete kroatische Offiziere behaupteten, Bosanski Brod sei im Austausch gegen den Rückzug serbischer Truppen aus dem äußersten Süden Kroatiens geräumt worden. Vergangene Woche hatten die Präsidenten Kroatiens und Rest-Jugoslawiens, Franjo Tudjman und Dobrica Cosic, den Abzug der serbischen und montenegrinischen Truppen von der kroatischen Halbinsel Prevlaka im Süden Dubrovniks vereinbart. Kroatischen Fernsehberichten zufolge sind bei den Kämpfen um Bosanski Brod mindestens 8.000 serbische Soldaten gefallen. In den serbischen Medien hingegen hieß es, die Stadt sei mit „Hunderten von toten Muslimen und Kroaten übersät“.

Auch um Sarajevo sind die Kämpfe wieder in voller Schärfe entbrannt. Serbische Verbände starteten eine Offensive auf die Hauptstadt. Die über Serbien laufende Pipeline mit russischem Erdgas ist von Serben nördlich der Hauptstadt am Dienstag von der Gasversorgung unterbrochen worden. Stromausfälle sind an der Tagesordnung, das Hauptkrankenhaus hat keinen Diesel für die Notstromaggregate mehr, und der Wassermangel ist dramatisch. In Sarajevo leben zur Zeit nach Angaben der Stadtverwaltung über 500.000 Menschen. 120.000 von ihnen seien aus den umliegenden Gebieten in die Stadt geflohen. Der UNO-Gesundheitsexperte Donald Acheson warnte, daß ohne eine drastische Ausweitung der Hilfslieferungen Kinder schon in diesem Monat verhungern werden. Bei einer weiteren Belagerung würden auch Erwachsene massenhaft Hungers sterben. thos

Tagesthema Seite 3

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