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Schatten hinter Masken

■ Galerie Grauwert zeigt Fotografien von Valerie Galloway / Befremdende und zugleich faszinierende Motive

zeigt Fotografien von Valerie Galloway/Befremdende und zugleich faszinierende Motive

Schwarz-umschminkte Augen nach Punkmanier, aber beinahe kindlich wirkende Gesichter haben die Modelle der amerikanischen Fotografin Valerie Galloway. Sie strahlen eine eigenartig magische Schönheit aus, selbst dann noch, wenn sie Designermode tragen - wenngleich sie nicht für Modefotos posieren.

Valerie Galloway fotografiert Gesichter, Körper und inszenierte Situationen. Sie läßt sich von avantgardistischen Modekreationen ebenso inspirieren wie von Schrottplatz-Accessoires, vom Stil der Stummfilme genauso wie von mittelalterlichen Symbolwelten, und sie fotografiert ausnahmslos in Schwarzweiß. Einen Einblick in das Werk der in Europa noch gänzlich unbekannten Künstlerin gibt jetzt in Eimsbüttel eine Ausstellung der Galerie Grauwert, die bis zum 4.November unter dem Titel Vale-

rie Galloway, Fotografien zu sehen ist.

Die Bilder geben eine Reihe Rätsel auf, dabei wirken sie auf den ersten Blick vor allem durch erschreckende, befremdende und zugleich faszinierende Motive. Acht Arme und Hände recken sich einem Mann entgegen, der an eine Wand gedrängt steht. Seine Arme sind an eine Stange gefesselt, und seine Nacktheit ist nur notdürftig mit altmodischer Damenunterwäsche bedeckt. Die Betrachterin mag vom offensichtlichen Gewaltakt abgestoßen sein, oder vielleicht auch Bestätigung und Beruhigung in vorschneller Wiedererkennung symbolhafter Situationen wie Kreuzigung und Opferung erfahren. Aber warum zeigt der Gesichtsausdruck des Gefesselten keine Angst und keine Qual? Was zeigt er überhaupt? Dieses Foto von 1991 hat keinen Titel.

Durchweg alle Fotos inszenieren ihr eigenes Spiel von Schatten und Licht, arbeiten mit Schwarzweiß- Kontrastierungen und mit einer stark grobkörnigen Bildauflösung. Der Realität entrückt scheint diese Welt zu sein, als eine Innenschau von Zuständen, Stimmungen, Erinnerungen. Und doch ist sie genau das nicht, entrückt. So wie keines der Gesichter wirklich das eines Kindes ist und keins der androgynen Wesen wirklich geschlechtslos, so wenig realitätsfern sind in Wahrheit auch Valerie Galloways Fotos. Sie sind immer auch ein Stück Dokumentation, nicht nur wegen ihrer Schrottplatz-Requisiten. Doch Geschichtliches zu dokumentieren ist ein zwiespältiges Geschäft, das weiß man spätestens seit der Veröffentlichung der Fotos über die Wahrheit der Konzentrationslager im „Dritten Reich“. „Castration-Camp“ heißt ein Foto von Valerie Galloway, auf dem eine überdimensional große Eisenspirale vor drei hingebungsvoll versunkenen Gesichtern phallische Lust behauptet. Eines der Gesichter jedoch ist auf den zweiten Blick als Maske zu erkennen, die herabzufallen droht. Was hinter ihr lauert, ist im grauen Schatten nicht zu identifizieren - nur gesichtslose, tödliche Bedrohung. Schwer vorstellbar, daß Entsetzen besser gezeigt werden könnte. Dorothea Schüler

Grauwert Galerie, Mo. bis Fr. 9 bis 18 Uhr, bis 4.11.

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