: Hamburgs Neonazis gründen "Anti-Antifa"
■ Rechtsradikale sammeln Informationen über Antifaschisten / Drohung: "die Sache selbst in die Hand" nehmen...
/ Drohung: »die Sache selbst in die Hand« nehmen...
Hamburgs Neonazis gehen in die Offensive: Mit einer „Anti-Antifa“ wollen sie dem angeblichen „linken Terror“ begegnen. Die neofaschistische Nationale Liste (NL) kündigt zudem gewalttätige Ausschreitungen gegen die „Überfremdung und Überflutung“ durch Ausländer an. Bergedorfs NL-Führer Thomas Wulff: „Es soll das Land der Deutschen bleiben, kein multikultureller und multikrimineller Mischmasch! Wenn aus Empörung Frust wird, wird aus Protest Gewalt!“
Krupunder, Mittwochabend: Rund 200 AntifaschistInnen versammeln sich in der Dunkelheit vor dem Bahnhof, um eine angekündigte Kundgebung der neofaschistischen Freiheitlichen Arbeiterpartei Deutschlands (FAP) zu verhindern. Provokativer Tenor der Veranstaltung: „Mehr Toleranz mit Andersdenkenden.“ Die Polizei teilt plötzlich mit, daß die FAP-Demo abgesagt wurde — also ein Erfolg für die Antifa? Ist es diesmal gelungen, die Faschos in die Flucht zu schlagen?
Wohl kaum. Das Ganze sieht eher wie ein inszeniertes Schauspiel aus. Neonazis filmen heimlich die TeilnehmerInnen der „Antifa“- Demo aus dem vierten Stock eines angrenzenden Hauses, während Schlägertypen aus Distanz die Aktivitäten der linken Autonomen beobachten.
Das abendliche Treiben ist offenkundig Bestandteil einer neuen Strategie der militanten Neonaziszene. So ist in verschiedenen Städten der Vorschlag des Hamburger NL-Führers Christian Worch aufgegriffen und eine „Anti-Antifa“ gegründet worden. Oberstes Ziel: „Kampf dem roten Terror.“ Unmittelbare Aufforderung: „Sammelt Informationen über euch bekannte Antifaschisten, gebt sie dem jeweils politischen Leiter weiter.“ Im Hamburger „Index“, dem Organ der NL, sind nach intensiven Observationen mehrere Hamburger Treffs aufgelistet worden, in denen die NL die Antifa vermutet.
Um die eigene Gefolgschaft auf die richtige Gewaltschwelle einzuschören, werden Horrorszenarien von Überfällen auf Neonazis verbreitet. Fazit dann: Man habe sich nicht rächen können, weil aufgrund „unserer mangelnden Kenntnisse über die antifaschistische Szene und deren gefährlichste Aktivisten“ die Schläger unbekannt geblieben seien — dem solle künftig abgeholfen werden.
Anschauungsunterricht dieser neuen Anti-Antifa-Offensive bekommt derzeit die Antifa-Niendorf erteilt. Durch Neonazis und organisierte Skinheads gesteuert versuchen Rechtsradikale, die Schülergruppe aus dem Jugendzentrum Vielohweg zu vertreiben. Es kam schon zu mehreren gewalttätigen Zusammenstößen, Wohnungen wurden angegriffen und Schüler zusammengeschlagen. Und auch in Bergedorf-Lohbrügge — der Hochburg der Hamburger NL — treten die Neofaschisten mit einem ganz neuen Selbstbewußtsein auf.
In einem neuen Pamphlet („Hoyerswerda, Rostock, Hamburg?“) wird Worchs NL-Stellvertreter Thomas Wulff ziemlich konkret, offenkundig werden für die Elbmetropole Krawalle prophezeit: „In den mitteldeutschen Städten hat das Volk selbst die Sache in die Hand genommen.“ Wulff weiter: „Wir stehen am Rande eines Bürgerkriegs.“ Hamburgs Verfassungsschutzchef Ernst Uhrlau warnt: „Die Auseinandersetzungen zwischen militanten Linken und militanten Rechten werden sich verschärfen.“ Peter Müller
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