: Rio-Aktionsprogramm vor Zusammenbruch
■ Industrieländer wollen nicht zahlen
Dublin (taz) — Vor vier Monaten kreißte der Umweltgipfel in Rio und gebar eine Maus. Doch selbst der soll es jetzt an den Kragen gehen. Das magere Aktionsprogramm zur Rettung der Umwelt, auf das sich die Staats- und Regierungschefs damals einigten, ist ernsthaft gefährdet, weil mehrere Industrieländer — allen voran Großbritannien — finanzielle Zusagen zurückziehen wollen.
Noch vor wenigen Tagen betonte der britische Premierminister John Major im jährlichen Umweltbericht der Regierung, daß „wir die Worte von Rio in die Realität umsetzen“ werden. Major wies in dem Bericht auf drei „bedeutende britische Initiativen“ hin. Mindestens zwei davon — Entwicklungshilfe zum Schutz wildlebender Tiere und die Ausrichtung eines Weltumwelttreffens im nächsten Jahr — stehen jetzt vor dem Aus, weil die Finanzierung nicht gesichert ist. Und einer nach Rio ins Leben gerufenen britischen „Darwin-Initiative“ zum Artenschutz sind bis heute überhaupt keine Gelder zugesagt worden.
Ein Sprecher der Weltbank sagte am vergangenen Wochenende, daß der sogenannte EARTH INCREMENT praktisch zusammengebrochen sei. Dabei handelt es sich um einen Fünf-Milliarden- Dollar-Fonds, der von der Weltbank verwaltet werden sollte, um Entwicklungsländer bei der Umsetzung des globalen Aktionsprogramms „Agenda 21“ zu unterstützen. Im vergangenen Monat erklärten Regierungsbeamte aus Großbritannien, Frankreich, Japan und den USA bei einer Sitzung in Washigton, daß sie die finanziellen Vorgaben nicht erfüllen könnten. Auch die bilaterale Finanzhilfe der reichen an die armen Länder für die „Agenda 21“ ist stark geschrumpft. Schweden und Spanien haben bereits Haushaltskürzungen verkündet, und das britische Finanzministerium will im nächsten Monat 250 Millionen Pfund streichen, die vor allem zum Schutz der Wälder und für die Bevölkerungsplanung eingesetzt werden sollten.
Selbst die als wichtigstes Ergebnis von Rio gefeierten Verträge über Klimaveränderungen und Artenvielfalt sind das Papier kaum wert, auf dem sie geschrieben sind. Die Mittel für die Umsetzung des Programms im Süden sollen aus dem UN-Umwelttopf kommen, der zu diesem Zweck um zwei bis drei Milliarden Dollar aufgestockt werden sollte. Das Ziel sei wegen der Rezession jedoch „sehr optimistisch“, erklärte die Weltbank nun. Die Briten wollten ursprünglich 100 Millionen Pfund beisteuern, die man wegen des Haushaltsdefizits nun jedoch einsparen will.
Zahlreiche Entwicklungsländer haben bereits scharfen Protest auf der UN-Generalversammlung im November angekündigt, auf der eine „Kommission für nachhaltige Entwicklung“ gegründet wird. Diese Kommission soll die Umsetzung der Rio-Vereinbarungen überwachen. Umweltexperten prophezeiten jetzt, daß die Länder der Dritten Welt aufgrund der angekündigten Kürzungen ihre beim Umweltgipfel gemachten Zusagen zurückziehen werden. So zum Beispiel Richard Sandbrook, Direktor des Internationalen Instituts für Umwelt und Entwicklung: „Ich mache mir große Sorgen, daß das Rio-Programm völlig auseinanderfällt, weil die Industrieländer die Versprechungen, die sie dem Süden gemacht haben, nicht erfüllen.“ Ralf Sotscheck
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