■ Schöner leben: Kreislaufterror
Ach wie war es doch vordem so leicht, mit Abfall umzugehn: Ex und hopp, ab in den Orkus, die Wupper oder den Schweinen vorgeworfen, aus den Augen aus dem Sinn, es geht voran. Wegschmeißen war loslassen und psychisch gesund, viel wegschmeißen war Mercedes, und das Wort „Altlasten“ stand noch nicht im Duden.
Doch dann kamen die Ökos und Grenzwertpingel. Plötzlich sollte der Zweite Hauptsatz der Thermodynamik nicht mehr gelten, wonach letztlich alles auf der Deponie endet — in Chaos und Unordnung. Der ganze Ekelkram, der nach der Grillfete übrigbleibt: Wertstoff, kreislauftauglich. Der von heißen Kippen deformierte Joghurtbecher: kommt zu dir zurück, irgendwann, als Kurzzeitwecker vielleicht. Nicht mal, was ins Klo geworfen wird, ist weg.
Der gemeine Wegschmeißer erfährt, daß die ganze Scheiße beim Hauptpumpwerk nochmal gesichtet wird. Und seit es sog. „revolutionäre Müllwerker“ umtreibt, stichprobenartig unsere Mülltonnen zu filzen, erleben wir ein ganz neues Phänomen — die Wegschmeißhemmung.
Haben Sie bei sich, ganz privat, in letzter Zeit mal versucht, klar Schiff zu machen? Zum Beispiel, unter anderem, gewisse belastende Liebesbriefe aus grauer Vorzeit wegzuschmeißen? Weder Tonne noch Container noch der lokale Altpapierhändler bieten da irgendeine Sicherheit; Stasiaktensammler und Skandaljournaille schlafen nicht. Alles ist ein Kreislauf, nichts kommt weg! Vielleicht, vielleicht hat man noch jemand auf dem Lande mit Ofen, doch was erzählt man dem? Man bleibt auf seiner Herzchenpost sitzen. Müßig anzumerken, daß die Reißwolfbranche boomt. Burkhard Straßmann
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