: Brausekopf servierte Hartes
■ Vor Gericht: 200 Mark Buße für jähzornigen Wirt
Wenn statt des Biers der Wirt aufschäumt und statt des kühlen Schlucks die Faust serviert, lechzt das blaue Auge nach Kühlung und die verletzte Seele nach Sühne. Wegen Körperverletzung, begangen an drei Schülern, mußte sich gestern ein Bremer Wirt vor dem Amtsgericht verantworten. Amtsrichter Wuff belegte zwei schmetternde Faustschläge des Wirtes, angesichts der schmerzhaften Folgen, mit einem Bußgeld von 200 Mark und stellte das Verfahren ein.
Aber am Ende der Verhandlung mußte Richter Wuff doch in Frage stellen, „ob wir der Wahrheit und nichts als der Wahrheit auf die Spur kommen“. Was an jenem Freitag mittag im vergangenen Jahr in und vor der Horner Kneipe passiert war, muß tatsächlich unklar bleiben: Die Schilderungen des Beschuldigten, der Klägerin und des Polizeiberichts ähnelten einander nur entfernt.
Zum Vorfall: Fünf angehende AbiturientInnen feierten in besagter Gaststätte ihren letzten Schultag vor den Prüfungen. Die Stimmung am Tisch war ausgelassen. Da aber forderte Erich R., der Wirt, den Schüler S. auf, seine Füße von der Sitzpolsterung zu nehmen: „Wir sind zivilisierte Europäer“, habe Erich R. gesagt, kein Bier mehr ausgeschenkt und die Gruppe aufgefordert, die Kneipe zu verlassen.
Einer der Schüler habe geantwortet, „wenn's kein Bier mehr gibt, dann zahlen wir auch nicht“, behauptete Erich R. Sie seien über Bänke gestiegen und hätten ihn provoziert. Einer habe sich nach einiger Zeit doch noch zum Tresen „bequemt“ und ihm einen Tausendmarkschein hingeschmissen.
„Da habe auch ich ihm das Rückgeld vor die Füße geworfen“. Danach sei die Situation eskaliert, erzählt Erich R. Er habe die fünf aus der Kneipe gedrängt, wobei sie eine brennende Zigarette gegen ihn „geschnappt“ und die Türe zugeknallt hätten. Draußen sei die Randale weitergegangen. „Ich wollte die Türe beschützen“, sagte er wörtlich, „dann hob einer die Hand und ein Schlag kam“. So begründete er seine Verteidigung, einen doppelten Faustschlag auf zwei Schüler. Auch er hätte Platzwunden erlitten, so Erich R.
Die klagende Schülerin sieht das anders: Grundlos habe der Wirt das Wechselgeld in Zwanzigern und Fünfzigern auf den Boden geworfen. Auch habe es vor der Tür „keine verbale Auseinandersetzung“ gegeben, mit dem Wirt sei ohnehin nicht zu reden gewesen. Erst beim Aufschließen der Fahrräder sei der Wirt plötzlich aufgetaucht und habe zugeschlagen.
Laut Polizeibericht hatte Erich R. den herbeigeeilten Beamten gesagt: „Dann sah ich rot und schlug zu“. Das allerdings bestritt der Angeklagte gestern.
Sein Verteidiger forderte vergeblich eine „unsanktionierte Einstellung des Verfahrens“.
Richter Wuff mutmaßte, Erich R. sei tatsächlich ein „jähzorniger, willkürlicher Typ“ in der Art eines „Kinderhassers“. Um auch dieser Eventualität gerecht zu werden, einigten sich alle Parteien darauf, die 200 Mark dem Kinderheim St. Petri zukommen zu lassen. Marion Wigand
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