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Staatssekretärin empört über Innenverwaltung

■ Innenbehörde droht, Libanesin abzuschieben/ Kommission stinksauer

Berlin. »Eine unmenschliche Beurteilung«, empört sich Helga Korthaase, Frauenbeauftragte des Senats und Staatssekretärin in der Senatsverwaltung für Arbeit und Frauen, über eine Entscheidung der Innenbehörde unter Dieter Heckelmann. Diese drohte einer alleinstehenden Mutter von vier Kindern die Abschiebung in den Libanon an. Die vom Abgeordnetenhaus eingesetzte Kommission für Härtefälle in Ausländerangelegenheiten, in der die Frauenbeauftragte neben der Ausländerbeauftragten und kirchlichen VertreterInnen sitzt, hatte in diesem Fall jedoch eindringlich empfohlen, daß der Familie der Aufenthalt in Berlin gewährt werden muß. Auch die anderen Kommissionsmitglieder fühlen sich nun zutiefst düpiert.

Die Vorgeschichte, nicht untypisch für sogenannte »Scheinasylanten«: Die Libanesin war im Januar 1983 mit Mann und Kindern vor dem eskalierenden Bürgerkrieg in ihrem Heimatland hierher geflüchtet, nachdem zahlreiche Familienmitglieder bereits getötet worden waren. Doch ihr Asylantrag wurde abgelehnt, da Krieg und Bürgerkrieg nicht als Asylgründe anerkannt sind. Die Familie mußte im selben Jahr in den Libanon zurückkehren und kam in ein Flüchtlingslager. Nun aber geriet der Ehemann zwischen die Kriegsfronten — und wurde erschossen. In ihrer Verzweiflung flüchtete die Frau mit den Kindern zu ihrem Bruder in Berlin, dem einzigen überlebenden Familienangehörigen.

Inzwischen fühlt sich die Familie vollständig integriert. Die Kinder, drei davon sind noch minderjährig, gehen alle in die Schule. Da sie der Bruder vollständig versorgt, muß der Staat keinen Pfennig Unterhalt zahlen. Es geht also nur um einen lächerlichen Aufenthaltsstempel, doch den verweigern Dieter Heckelmann und seine Unterlinge.

»Empörend« und »erschütternd« nennt die Staatssekretärin deshalb diese Entscheidung in einer von Frau Vorbrodt mitunterzeichneten Presseerklärung. Letztere, die für »Pax Christi« ebenfalls in der Kommission sitzt, hatte nur über einen kirchlichen Umweg von der Abschiebeandrohung erfahren. Die Innenbehörde hatte es nicht einmal für nötig gehalten, die Mitglieder der Härtefallkommission zu informieren — geschweige denn ihr Votum zu berücksichtigen.

Unter den Tisch der Innenverwaltung fiel außerdem ein ärztliches Gutachten. Tenor: Der Frau könne eine Abschiebung und eine Rückkehr in den Libanon nicht zugemutet werden, da die Konfrontation mit ihren früheren traumatischen Erlebnissen schwere psychische Auswirkungen befürchten lasse. usche

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