: Unternehmerlogik-betr.: "Lobbyistentöne", Kommentar von Walter Jacobs und Intertaz, taz vom 2.10.92
betr.: „Lobbyistentöne“, Kommentar von Walter Jacobs, und Intertaz, taz vom 2.10.92
Schade, daß in der taz auch in den Chor der Umverteilung von unten nach oben eingestimmt wird. Was soll dieser Lohnverzichtsaufruf, dieses Unverständnis für die auf einheitliche Lebensverhältnisse zielende Tarifpolitik der Gewerkschaften. Wo bleibt die Kritik an einem Kapitalismus, der mit seiner ökonomischen Logik eine ganze Region (Ostdeutschland) zerstört und ungehemmt die Gesellschaft entsolidarisiert? Wozu das Argumentieren mit der Unternehmerlogik? Warum festhalten an der „realwirtschaftlichen Welt“? Gibt es nicht genug Signale dafür, daß der Kapitalismus nichts bringt, daß er weder ökologische noch soziale Probleme auch nur annähernd in den Griff bekommt? In einer Zeit, wo es mit Höchstgeschwindigkeit gegen den Baum geht, ist es Zeit, daß die potentiellen und realen Verlierer, also „Lohn- und Gehaltsempfänger“, Arbeitslose, Sozialhilfeempfänger und so weiter sich solidarisieren, daß die, die unten stehen, beim Verteilungskampf sich von denen die oben stehen nicht auseinanderdividieren lassen. [...] Wo bleibt in der taz die Soliaktion für Arbeitslose, Sozialhilfeempfänger und die geschundenen Ossis? Sind die alle nur selber Schuld?
Statt dessen meint Ihr, mit einer Intertaz das Problem „Rostock, Hoyerswerda, Regensburg...“ anzugehen. Ist denn das „Ausländerproblem“ in der Zuspitzung, in der wir es jetzt erleben, vorrangig ein Problem mit Ausländern? Spiegelt es nicht vielmehr den Zusammenbruch unseres so perfekten „Sozialstaates“ wider? Sicher gab es auch vor den gewalttätigen Auseinandersetzungen Vorurteile, Widerstände und das Problem, das wir Deutsche mit den Menschen anderer Nationalität und Kultur nur schwer ein normales Miteinander hinkriegen. Aber das findet sich überall auf der Welt, wenn unterschiedliche Nationalitäten, Religionen und Kulturen aufeinanderstoßen und wird doch schließlich erst zur Katastrophe, wenn soziale Spannungen dazukommen. Und so verprügeln Engländer ihre Pakistani, Franzosen die Algerier und Deutsche Asylsuchende aller Nationalitäten. So ist die Intertaz sicher gut für die Förderung der Toleranz bei den Deutschen, die ihren Kopf noch frei dafür haben. Doch für die Probleme der ausgegrenzten Deutschen in unserem Land wäre eine Solitaz für das bundesdeutsche untere Drittel ebenso notwendig. [...] Manfred Guder, Berlin
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