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Das Btx-Programm der Post als Angebotsbörse

■ Fast ohne Kontrolle können Kinderpornohändler ihre Angebote verbreiten

Berlin (taz) — „Nein, wir haben noch keinen Fall aufgespürt“, teilt Susanne Grams von der Berliner Landesmedienanstalt mit. „Es ist nicht so einfach, Angebote von Kinderpornos im Bildschirmtext- system aufzuspüren. Ich kann nicht sagen, daß es das nicht gibt, aber wir finden's nicht.“ Zuständig für die inhaltliche Kontrolle des Btx- Programms sind die Länder. Sie können unzulässige Angebote untersagen und die Telekom anweisen, sie zu sperren. „Das ist ein Knopfdruck“, so eine Sprecherin des Bundespostministers. „Aber wir haben den Eindruck, daß da nicht genug geprüft wird.“

Bisher haben die zuständigen Behörden in keinem Fall den Vertrieb von Kinderpornos über das Btx-System der Bundespost nachweisen können. Dabei belegen zahlreiche Presseberichte, daß dort — zumindest in der Vergangenheit — ganz offen Kinderpornos oder Sex mit Kindern angeboten wurden.

Zwei Beispiele: Am 22.Mai 1990 um 10.05 Uhr bot ein Freizeit- Partner-Service via Btx eine „unbehaarte Lolita, blond, Telefon Berlin“ an. Ob es sich um Filmmaterial oder einen direkten Kontakt handelt, geht aus dem Angebot nicht hervor. Unzweideutig liest sich dagegen das Angebot des „Sexy Telefon“ aus dem Jahr 1989: „Vermiete junges Geschwisterpärchen für 1.000 die Nacht. Junge, 12, blond, Mädchen, 11, brünett. Beide absolut gefügig.“ Noch im Juni 1991 stellt der Spiegel fest: „Zur Verbreitung (von Kinder- Pornos) wird vor allem das Btx-System der Bundespost benutzt.“

Woran liegt es, daß die Behörden, den Kinderpornohändlern nicht auf die Spur kommen? Ist die Händlerszene durch den Gesetzentwurf gegen Kinderpornographie und die öffentliche Debatte derart verunsichert, daß sie auf andere Kommunikationsmittel ausgewichen ist? Oder sind die Kontrollen der Behörden unzureichend? Bei der Berliner Landesmedienanstalt, der Kontrollbehörde für Berlin und Brandenburg, schaut Susanne Grams „einmal die Woche“ das Btx-Programm durch. Nein, nicht stundenlang, „das wäre unverhältnismäßig“.

Aus dem bayerischen Innenministerium heißt es, es werde „kontinuierlich“ geprüft, aber „sicher nicht so, daß man den ganzen Tag daran sitzt“. Die Bayerische Staatsregierung hat die zuständigen Regierungsbezirke zu verstärkten Stichproben aufgefordert. Aber bisher hat man „noch keinen Treffer erzielt“. Einen der Hauptgründe sieht Pressesprecher Ulrich Wilhelm darin, „daß im Einzelfall die Angebote so verschlüsselt sind, daß ihr pornographischer Inhalt nicht erkennbar ist und daß sich die Anbieter einer nur unter Insidern bekannten Tarnung oder Codierung bedienen“.

Bei den Stichproben gehen die bayerischen Kontrolleure die üblichen Codierungen wie „Bekanntschaften“, „Modelle“ oder „Lolitas“ durch. Dabei können jedoch nur Angebote aufgespürt werden, deren Text offenkundig gegen die Vorschriften verstößt. Was sich hinter scheinbar unverfänglichen Angeboten verbirgt, kann nicht recherchiert werden. Täglich erscheinen über eine Million Seiten Bildschirmtext. „Ein Kontrolleur, der das alles nachrecherchieren wollte, hätte keine Chance“, sagt Ulrich Wilhelm. Für den Vertrieb von Kinderpornos sind die Händler allerdings nicht auf das Btx-System angewiesen. „Btx ist nicht das Hauptmedium“, stellt Wilhelm fest, „sondern das sind Zeitungsannoncen und Kontaktmagazine.“

Der bayerische Innenminister Edmund Stoiber (CSU) hat vorgeschlagen, daß die Telekom unzulässige Angebote erst gar nicht in das Btx-Programm einspeist. Die Idee ist gut, hat aber einen Schönheitsfehler: Im Btx-Staatsvertrag haben sich die Länder die Kontrolle über die Inhalte ausdrücklich vorbehalten. Die Telekom stellt nur die Leitungen zur Verfügung, sie darf nicht als Zensor in Programme eingreifen. Doch selbst wenn der Staatsvertrag entsprechend geändert würde — mit dem Aufdecken verschlüsselter Anzeigen wäre auch die Telekom überfordert. Dorothee Winden

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