Kein Grund zur Beruhigung

■ betr.: "In Soldatenstiefeln für Polens Zukunft", "Skinheads und Punks greifen Klassiker an", taz vom 6.10.92

betr.: „In Soldatenstiefeln für Polens Zukunft“, „Skinheads und Punks greifen Klassiker an“,

taz vom 6.10.92

Ach, wie beruhigend — die Gerechtigkeit ist da! Aber wir hatten es ja im Stillen erwartet: erst gehen „unsere“ deutschen Skins auf Osteuropäer los, dann werden sich die hier brutal Angegriffenen rächen; sie greifen selber zu Hause Deutsche an, oder lassen denen von ihren Rechtsradikalen nachstellen.

Offenkundig folgte man diesem törichten Schema bei der taz, als auf jenes todbringende Vorgehen gegen drei deutsche Lkw-Fahrer letzte Woche im Krakauer Nova Huta auf so ärgerlich billige Weise reagiert wurde. Zunächst mit einer längeren Reportage, die effektheischend einen wirklich sehr kleinen Aspekt des gesellschaftlichen Lebens von Krakau verkaufen wollte als die Realität der Stadt oder gar Polens; auf der anderen, 16. Seite dann bloß mit einer gagig aufgemachten, doch völlig ignoranten Kurznotiz zu einer Theateraufführung in Berlin, die mindestens genausoviel mit Skins in Krakau zu tun hat wie die von der Reporterin dargestellten öffentlichen Provokationen und Übergriffe in Krakau es haben.

Persönlich habe ich während der letzten Wochen in Krakau und ostwärts davon unermeßlich viel anderes denn Haß und Gewalt erfahren, etwa warme Gastfreundschaft und Vertrauen, daß wir doch noch bei uns zu Rande kommen mit den gegenüber Fremden und uns feindlichen Aggressoren. Auch im östlichen Polen ist das öffentliche und private Leben weniger simpel, als es das oben genannte Denkschema wahrhaben will. Kein Grund zur Beruhigung. Andreas Kahler, Berlin