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Gibt es intelligentes Leben auf der Erde? Von Mathias Bröckers

Mit der größten Satelliten-Schüssel der Welt (Durchmesser 304 Meter) will die US-Weltraumbehörde NASA die Milchstraße systematisch nach Funkbotschaften intelligenter Weltraumzivilisationen abhören. Die Zuversicht, bei dem galaktischen Lauschangriff fündig zu werden, beziehen die Weltraumhorcher des Projekts SETI (Search for Extraterrestrial Intelligence) aus der Annahme, daß außerirdische Zivilisationen bei ihrer technologischen Entwicklung zwangsläufig auf Radiowellen stoßen und diese als Kommunikationsmedium benutzen müßten. Wer aber Radios und Funktelefone benutzt, kann dabei nicht nur abgehört werden, er könnte auch, so die Spekulationen der E.T.-Fahnder, auf die Idee kommen, seinerseits Funkbotschaften ins Weltall zu senden, um potentielle Nachbarn auf sich aufmerksam zu machen. Besonders gespitzt sind die Antennen deshalb auf das 21-Zentimeter- Band - diese Wellenlänge entspricht der natürlichen Strahlung des Wasserstoffs, dem meistverbreiteten Signal im All, das auch ein Grußbotschaften sendender Außerirdischer vermutlich benutzen würde. Bis zum Ende des Jahrzehnts wollen die SETI-Lauscher im kosmischen Wellensalat nach Spuren von Intelligenz suchen - ohne zu wissen, was das genau ist, d. h. wie etwa eine zufällig aufgezeichnete Gameshow von Zeta Riticuli als solche erkannt werden soll. Vor Jahren hat die Zeitschrift Republik einmal eine komplette Sendung von „Dalli Dalli“ transkribiert - auch wer des Deutschen vollständig mächtig war, konnte hier nur den reinen Irrsinn erkennen. Ein Außerirdischer, der den O-Ton von diesem ganz normalen Erden-Wahn zufällig aufgefangen hätte, käme nie auf den Verdacht, daß es sich um ein Lebenszeichen von Intelligenz handeln könnte. Womit wir bei der entscheidenden Frage dieses außerirdischen Suchprojekts angelangt wären: Gibt es intelligentes Leben auf der Erde?

Ein gutes Beispiel für den Umgang des Menschen mit außerirdischer Intelligenz liefern die berühmten Cargo-Kulte, die auf einigen unzivilisierten Pazifik-Inseln einsetzten, nachdem dort zeitweilig Kriegsflugzeuge gelandet waren: Die Eingeborenen bauten Rollbahnen und Radaranlagen (aus Bambus) nach und simulierten den Flugplatzbetrieb, in der Hoffnung, mit diesem Ritual einen der mit Futter beladenen Silbervögel vom Himmel zu holen. Allzuweit scheint das SETI-Projekt von derlei B-52-Beschwörung nicht entfernt: Die High-Tech-Schüssel der NASA ist in den Weiten des Universums etwa ebenso wirkungsvoll wie der Bambus-Radar im Luftraum über dem Pazifik. Und ebenso gering ist der Unterschied zwischen der Naivität der Cargo-Priester und dem elektromagnetischen Chauvinismus der Weltraumfunker - eine fortgeschrittene telepathische Intelligenz wird auf das krächzende Wellengezirpe so wenig reagieren wie ein Jet-Pilot auf eine Buschtrommel. Und doch können wir den SETI- Jägern nur dringend Erfolg wünschen: Nichts wäre nötiger als ein außerirdischer Ethnologe, der die Eingeborenen der Erde über den Irrsinn ihres Kults aufklärt, draußen nach Intelligenz zu suchen. Die Erde wimmelt vor extra- und megaterrestrischer Intelligenz - nur die Menschen merken es wieder mal als letzte.

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