: Der große Tag der kleinen Heike
■ Das Handballnationalteam der Frauen startet in Oldenburg seinen Neuaufbau
Dienstagabend, Handball- Länderspiel der Frauen, Deutschland gegen die Tschechoslowakei, Spielort Oldenburg. 4:1 steht es für die deutsche Auswahl, als der Schiedsrichter auf Siebenmeter entscheidet. Auf der Auswechselbank erhebt sich eine kleine Gestalt, streift die Trainingshosen ab, schreitet zum Siebenmeterpunkt, greift sich den Ball und läßt ihn elegant in die Maschen rauschen. 5:1, ein ganz normaler Handballtreffer eigentlich, aber doch etwas Besonderes. Die kleine Werferin ist Heike Schmidt vom VfL Oldenburg, das Tor war ihr allererstes im allerersten Länderspiel, erzielt mit der allerersten Ballberührung. Und das ganze auch noch daheim, vor dem Oldenburger Publikum. Ein starker Auftritt.
Inszeniert hat ihn der Coach. Lothar Doering aus Leipzig, seit drei Wochen neuer Bundestrainer der deutschen Handballspielerinnen. Bei denen ist einiges durcheinandergeraten, seit sie von den Olympischen Spielen in Barcelona nicht die herbeigesehnte Medaille mitnehmen konnten. Mehrere Spielerinnen verabschiedeten sich aus der Auswahl, Bundestrainer Heinz Strauch trat frustriert zurück, nachdem ihm vorgeworfen worden war, fachlich überfordert zu sein.
Der neue verantwortliche Übungsleiter für das Frauenteam ist eine echte Kapazität in der Handballszene. 78 Länderspiele hat Lothar Doering für die DDR gemacht und war eine Säule jenes berühmten Teams, das 1980 bei den Olympischen Spielen in Moskau die Goldmedaille gewann. Seit fünf Jahren coacht er die Handballerinnen des SC Leipzig, die vor einigen Monaten den Europacup geholt haben. Bis Saisonende wird er noch Trainer von Leipzig und der Nationalauswahl sein, seine Familie wird ihn kaum sehen in dieser Zeit, „allein in den letzten zwei Wochen habe ich schlappe 2.500 Kilometer auf der Autobahn zurückgelegt. Keine Frage, der Mann ist ein Handballverrückter.
Aber einer, der gut klarkommt mit seinen Spielerinnen. Das Spiel gegen die Tschechinnen gewannen die Deutschen ohne Mühe 21:17; die Bremerinnen mühten sich wacker. Walles Cordula David, von Heinz Strauch beharrlich verschmäht, war erstmals nach längerer Abstinenz wieder dabei und verdiente sich für ihr gutes Abwehrspiel ein Sonderlob des Coaches. Torfrau Sabine Adamik, seit neuestem Spielführerin im Nationalteam, hütete das National- Tor ebenso souverän wie das des deutschen Meisters. Debütant Doering jedenfalls war zufrieden mit dem Spiel, Heike Schmidt weniger. Nach dem Siebenmetertor hätte sie zur Heldin des Abends werden können, doch entwickelte sie ausgesprochenes Pech vor des Gegners Tor: „Wenn man siebenmal den Pfosten trifft, dann gibt einem das schon zu denken.“ hg
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